Zürcher Impuls für die Internet-Telefonie
Die Aktivitäten im Voice-over-IP-Bereich haben sich vom Internet ins firmeneigene Intranet verlagert. Trotz erheblichen Qualitätsverbesserungen steigen die Unternehmen nur sehr zögerlich um. Das Zürcher Kleinunternehmen Media-Streams hofft mit seiner Lösung auf den weltweiten Durchbruch.
mso . Die Internet-Telefonie blieb lange Zeit den Unentwegten vorbehalten. Ausgerüstet mit PC, Modem, Soundkarte, Mikrophon und einer Spezialsoftware, ging es nicht zuletzt darum, den «verhassten» Telefonmonopolisten ein Schnippchen zu schlagen. Zum Preis eines lokalen Telefongesprächs liess sich mit Müh und Not eineSprachverbindung über das Internet mit jemandem auf der anderen Seite der Erdkugel herstellen. Trotzdem prognostizierten 1997 Forschungsinstitute gar übermütig, dass dieses Jahr 8 bis 12 Prozent des internationalen Telefonverkehrs über Datenleitungen laufen würden. Heute bewegt sich dieser Markt weiterhin im Promillebereich.
Mit der Freigabe der Telekommunikationsmärkte ist der Preisvorteil der Internet-Telefonie- auch Voice-over-Internet-Protocol (VoIP) genannt – weitgehend hinfällig geworden, zudem gibt es weiterhin erhebliche technische Probleme. Deshalb steht gegenwärtig die wesentlich leichter realisierbare Voice-over-LAN, also IP-Telefonie auf dem betriebsinternen Datennetz, im Vordergrund. Die Zürcher Media-Streams.com AG glaubt mit ihrer E-Phone-Architektur hierbei die Nase weltweit vorn zu haben: Die VoIP-Software lässt sich vom Internet herunterladen und ohne externe Hilfe im E-Mail-Programm Microsoft Outlook als Telefon nahtlos integrieren.
Weniger Probleme im Intranet
Bei VoIP wird die Sprache in kleine Datenpakete zerstückelt und anschliessend per IP- Übertragungsprotokoll über das Netz versandt. Für eine passable Verbindung müssen die Pakete innerhalb von 150 bis 200 Millisekunden beim Empfänger ankommen. Weil die Datenpakete teilweise komplett verschiedene Wege gehen und infolgedessen nicht in exakt der gleichen Reihenfolge eintreffen, rauscht oder knackt es oft in derLeitung. Im firmeneigenen Datennetz, wo ebenfalls das IP-Protokoll verwendet wird, ist im Gegensatz zum Internet genügend Bandbreite für die Echtzeitkommunikation vorhanden, oder es lässt sich entsprechende Bandbreite reservieren. Netzwerke, die nicht älter als zwei Jahre sind, sind im Normalfall auf bandbreitenhungrige Anwendungen ausgelegt. Im einem sorgfältig gebauten 100-Megabyte-Switched-Ethernet beispielsweise kann – ohne Verwendung von speziellen Mechanismen zur Reservation von Bandbreite – in guter Qualität telefoniert werden.
Aderlass bei Siemens Schweiz
Reine VoIP-Anwendungen, die ohne die herkömmliche Telefonanlage (PBX) auskommen, sind seit Anfang letzten Jahres realisierbar. Ende 1999 hat Siemens Schweiz die zu diesem Zeitpunkt weltweit umfangreichste Voice-over-IP- Infrastruktur, die ausschliesslich auf PC basiert, bei den 200 Mitarbeitern der Surseer Agro-Data – heute Bison Schweiz – installiert (NZZ vom 3. 3. 00). Seit diesem Paukenschlag scheinen die Aktivitäten von Siemens und anderen Lösungsanbietern allerdings nachgelassen zu haben. Dafür werden von Branchenbeobachtern verschiedene Gründe angeführt. Die traditionellen Ausrüster der leitungsvermittelten Sprachtelefoniehaben wenig Interesse, ihr herkömmliches, margenstarkes Geschäft zu «kannibalisieren». Gleichzeitig weisen die heute auf dem Markt erhältlichen VoIP-Lösungen weiterhin etliche Qualitätsmängel auf, die erst nach wochen-, manchmal sogar monatelanger «Feinabstimmung» behoben werden können. Eine auf Siemens-Produkten basierende und von Commcare installierte Voice- over-LAN-Lösung musste beim mittlerweile eingestellten Magazin «Internet Standard» wieder ausgebaut werden. Auch nachdem Commcare auf IP-Telefone von Cisco umgestiegen ist, kann heute nur ein kleiner Testbetrieb beim IT-Generalunternehmer Systor vorgewiesen werden. Weitere Anbieter sind Burkhalter und Primenet.
Weil sie vom Münchner Stammhaus zu wenig Auslauf bekamen, verliessen zwei Mitarbeiter der Siemens-Abteilung «Voice over IP» das Unternehmen, um Anfang 2000 die Media-Streams zu gründen. Im Laufe der Zeit gesellten sich weitere Manager und Entwickler der gleichen Abteilung zum Gründerunternehmen, so dass heute neun der insgesamt zehn Angestellten Ex-Siemens- Leute sind. Da Zürich innerhalb von Siemens das weltweite VoIP-Zentrum bildete, bedeutete der Weggang insbesondere für Siemens Schweiz einen schmerzhaften Verlust. Nachdem die Gründer die erste Million Franken aus eigenen Mitteln bereitgestellt hatten, fand zu Beginn dieses Jahres eine zweite Finanzierungsrunde statt: Credit Suisse hat sich als Risikokapitalgeber mit «mehreren Millionen» Franken beteiligt.
Integration in Microsoft Outlook
An der Orbit-Ausstellung im vergangenen Herbst lancierte das Unternehmen ihre E-Phone- Architektur. Nach Firmenangaben soll es sich dabei weltweit um die einzige Lösung handeln, diesich nahtlos in die meistgenutzte E-Mail-Anwendung – Microsoft Outlook – integriert. Damit braucht es keine separate Benutzeroberfläche mehr, was die Benutzerschulung auf ein Minimum reduziert. Neben den E-Mails werden auch die eingehenden Telefonanrufe im Posteingang angezeigt. Ein Gespräch wird wie ein E-Mail aufgebaut: Fenster öffnen – Name oder Nummer mittels Computertastatur eintippen – mit dem an den PC angeschlossenen Hörer telefonieren. Bereits geführte oder verpasste Anrufe können im Posteingang eingesehen werden.
In Anlehnung an den E-Phone-Werbeslogan «Click and Call» lässt sich die Softwarelösung vom Internet herunterladen und mit «wenigen» Mausklicks aktivieren. Im Gegensatz zu PBX-Anlagen, aber auch zu den meisten VoIP-Produktenist keine teure und langwierige Installation notwendig. Denn jeder EDV-Betreuer, der den Microsoft Exchange Server warten kann, wird nach Auskunft von Media-Streams problemlos mit der VoIP-Software umgehen können. Die einzige zusätzliche Hardware, die es braucht, ist einVoIP-Gateway, das die Signale aus dem öffentlichen Telefonnetz in VoIP-Pakete umsetzt und diese ins Intranet weiterleitet.
Wartungskosten sparen
Laut Vertriebschef Frank Fitzlaff ist E-Phone im Gegensatz zur Konkurrenz beliebig skalierbar, und damit eignet sich die Lösung für alle Unternehmensgrössen. Doch der grösste Vorteil sinddie Kosteneinsparungen: Ab 10 bis 20 Arbeitsplätzen ist VoIP günstiger als die Investition in eine PBX. Eine Lösung für 20 Anschlüsse käme auf etwa 20 000 Franken zu stehen. Die höchsten Einsparungen liegen bei den Wartungskosten: Im Gegensatz zur herkömmlichen Anlage muss nicht für jede Änderung – zum Beispiel für einen neuen Anschluss – ein externer Fachmann herbeigezogen werden.
Momentan wird bei Triacom, der Stiftung für Gesundheitsförderung, der NZZ – die auch im Verwaltungsrat der Media-Streams vertreten ist – mit E-Phone telefoniert. Für den Durchbruch braucht es aber einen starken Partner. Fitzlaffs Wunschpartner ist Microsoft.