Zuger Helvag – Gross Razzia
Die Zuger Helvag Gruppe versprach Geldgebern grosse Gewinne mit einer Restaurantkette. Jetzt wird in ganz Europa ermittelt – unter anderem wegen Geldwäscherei und Betrugs.
Die 170 Polizisten starten ihre Razzia in vier Ländern gleichzeitig, pünktlich morgens um sieben. Am 25. Juli dieses Jahres durchsuchen die Beamten in der Schweiz, in Deutschland, Luxemburg und Tschechien rund fünfzig Büros und Wohnungen. Im Visier der Fahnder steht eine Firma auf dem Finanzplatz Zug. Fünfzig Polizisten marschieren zusammen mit deutschen Staatsanwälten in die Büroräume der Helvag Gruppe und beschlagnahmen Berge von Akten. Die Oberstaatsanwaltschaft in Würzburg hat die Aktion seit Monaten vorbereitet. Es geht um Geldwäscherei, Betrug, Veruntreuung und Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Die Zuger Helvag Gruppe lockte mit Investitionen in den Bau und Betrieb einer Steakhousekette. Das vollmundige Versprechen: Sechzig Outback-Steakhäuser würden in ganz Deutschland entstehen und die Bundesbürger von der Nordsee bis an die Alpen für australische Grillfreuden begeistern. Mindesteinlage waren 3000 Mark, versprochen wurden Erlöse von 8,23 bis 12 Prozent pro Jahr und Steuervorteile. Nach einer Laufzeit von sieben Jahren seien schliesslich gewinnunabhängige Entnahmen von zehn Prozent pro Jahr möglich. Die Gelder flossen aber nicht in Steakhäuser, sondern vor allem in die Taschen der führenden Helvag-Gruppe-Mitglieder, vermutet der Würzburger Oberstaatsanwalt Dieter Bauer: «Wir schätzen eine Deliktsumme von 20 bis 30 Millionen Mark.» Die internationale mutmassliche Betrügerbande hätte mit der raffinierten Methode bei mehreren hundert gutgläubigen Anlegern in ganz Europa abgezockt.
Die deutschen Drahtzieher setzten auf die diskrete Verschwiegenheit des Finanzplatzes Zug, im Helvag-Firmenlogo prangt das Vertrauen erweckende Schweizerkreuz. In der fünfköpfigen Geschäftsleitung sitzen neben den deutschen Brüdern Karl-Heinz und Peter Klefisch auch die Zuger Treuhänder Peter Locher und Eva Oehler. In den Zuger Büros klickten am Tag der Razzia bei den Brüdern Klefisch die Handschellen. Karl-Heinz wurde zwei Tage später an Deutschland übergeben. Bruder Peter wehrt sich gegen seine Aus-lieferung und sitzt im Schwyzer Gefängnis. Die Ermittler nahmen in ganz Europa acht von insgesamt vierzehn Beschuldigten fest. Treuhänderin Oehler und ihr Geschäftspartner Locher wurden nicht verhaftet; sie seien auch nicht Beschuldigte, sagt Oehler. Locher sei nicht erreichbar, weile in den Ferien «irgendwo in einer Blockhütte in Kanada».
Die Würzburger Ermittler vermuten, dass die mutmassliche Betrügerbande auch als Geldwäscher für verschiedene Organisationen tätig gewesen sein könnte. Tatsächlich ist die Helvag das Dach für ein kaum zu entwirrendes Geflecht von rund hundert Firmen. Der Geldfluss lief über vier verschiedene Länder. Laut der Tageszeitung «Mainpost» wurden wöchentlich zwischen 30’000 und 250’000 Mark in die Schweiz verschoben. Spuren führen zu den Zuger Niederlassungen von UBS und CS, bestätigt Oberstaatsanwalt Bauer.
Nachdenklich stimmt die Ermittler der Leumund der Leute an der Spitze des Unternehmens. Kaum einer der Beteiligten ist bei Polizei und Staatsanwaltschaft ein Unbekannter. Der Präsident der Helvag Gruppe, Karl-Heinz Klefisch, kassierte in Deutschland 1999 ein Jahr auf Bewährung und eine Geldstrafe von 40’000 Mark. Klefisch hatte in einer Tiefgarage in Lugano aus dem Kofferraum eines Jaguars zwei Kisten voll brisanter Papiere über die 300-Millionen-Steuerflucht des deutschen Bäderkönigs Eduard Zwicks gestohlen. Die Dokumente versuchte Klefisch für teures Geld an die Hinterbliebenen Zwicks zu verkaufen. Schmunzelanekdote aus den Gerichtsakten: Klefisch behauptete, er sei aus Versehen mit seinem Motorrad, Marke Harley-Davidson, gegen den geparkten Jaguar gefahren. Die Heckklappe sei aufgesprungen, und er habe die zwei Kisten im Kofferraum flugs in Sicherheit gebracht, damit sie nicht gestohlen würden.
Treuhänderin Oehler lässt auf ihre Kollegen in der Helvag-Geschäftsleitung nichts kommen: «Wir kennen die Klefischs lange und haben keinen Grund, an ihrer Seriosität zu zweifeln.» Nicht den geringsten Zweifel hegten die Zuger auch gegen den illustren vorbestraften Millionenbetrüger Wolfgang Graf. Der ehemalige Rechtsanwalt wurde bei der Razzia Ende Juli im Helvag-Büro in Tschechien verhaftet. Er sitzt jetzt in Prag in Auslieferungshaft. Ein deutsches Gericht verur-teilte Graf 1996 wegen Betrugs und Veruntreuung zu einer Gefängnisstrafe von fünfeinhalb Jahren. Der Verbleib der Millionen wurde nie geklärt, die Ermittler vermuten, sie könnten in die Helvag Gruppe geflossen und dort «gewaschen» worden sein.
Graf, Ex-Anwalt mit mondänem Lebensstil und Liebe zum Reitsport, hatte in der Helvag Gruppe eine exponierte Stellung inne. Im Herbst 1998 war er zwar noch Strafgefangener, als Freigänger konnte er aber tagsüber das Gefängnis verlassen, weil ihm die Helvag Gruppe eine Stelle angeboten hatte. Graf verteilte Visitenkarten «als Leiter der Rechtsabteilung», liess sich von einem Chauffeur im S-Klasse-Mercedes fahren. «Er war für uns als juristischer Berater tätig», bestätigt Treuhänderin Oehler, «Graf war nett im Umgang und hat seine Aufgabe sicher gut erledigt.» Von seiner Vorstrafe habe sie nichts gewusst, er sei ein langjähriger Freund der Brüder Klefisch gewesen.
Die deutschen Fahnder ermittelten gegen Graf Mitte der Neunzigerjahre wegen Waffenhandel, Gold- und Zigarettenschmuggel. Graf lieferte Hinweise, dass Mitarbeiter der Tabakkonzerne am organisierten Zigaretten-Schmuggel beteiligt seien. Seine Aussagen hatten eine gross angelegte Razzia beim Hamburger Tabak-Konzern British American Tobacco BAT zur Folge. Die Ermittler durften aber die beschlagnahmten Unterlagen nach Protesten der Anwälte des Konzerns nicht verwenden, sondern mussten sie zähneknirschend zurückgeben. Der smarte Dr. Graf sei übrigens seit Ende Juni nicht mehr als juristischer Berater tätig gewesen, sondern er habe den Auftrag gefasst, für die Helvag Gruppe die Oststaaten zu erschliessen, erklärt Oehler.
Zufälligerweise war die Ordentliche Generalversammlung der Helvag Gruppe einen Tag nach der Razzia angesetzt. Die Zuger Treuhänder erklärten den verdutzten Aktionären, dass die Vorwürfe «absolut unberechtigt» seien. Oehler selbst ist laut Firmendiagramm zuständig für die Finanzbuchhaltung, Monats- und Jahresabschlüsse und Bilanzen. Sie will nicht gemerkt haben, dass Anlagegelder in die Taschen ihrer Geschäftskollegen verschwunden seien. «Wir haben erst Geldprobleme, seit die Ermittler unser Konti eingefroren haben.» Eva Oehler sagt, sie sei noch nicht einvernommen worden. Merkwürdig.
Zuständig für Untersuchungshandlungen in der Schweiz ist der Zuger Staatsanwalt Marc von Dach, bei ihm ist das Rechtshilfegesuch aus Würzburg gelandet. Er will weder bestätigen noch dementieren, ob in der Schweiz ein eigenes Strafverfahren eröffnet wird. Von Dach koordinierte die Razzien in Zug und den Kantonen Tessin und Waadt, wo die Klefischs Wohnungen bezogen haben. Offenbar braucht die Zuger Staatsanwaltschaft Zeit, um sich im wirren Firmenkonglomerat der Helvag einen Überblick zu verschaffen. Einen Lastwagen voll beschlagnahmter Dokumente haben die Zuger erst vor kurzem ihren Kollegen nach Würzburg geschickt.
Treuhänderin Oehler behauptet, das Geld der Anleger sei in die Steakhäuser und andere Immobilien investiert. Tatsächlich wurde das erste der sechzig angekündigten Steakhäuser im Sommer 1999 bei Köln eröffnet; dort entstanden aber im ersten Geschäftsjahr Verluste im sechsstelligen Bereich. Die zweite Filiale in Düsseldorf wurde im Januar 2000 eröffnet, elf Monate später jedoch bereits wieder geschlossen. Bei einem dritten Steakhouse schliesslich gingen die Türen im Oktober 2000 auf. Und damit hat es sich.
Die Razzia gegen die deutschen Outback-Steakhouse-Betreiber hat die Firmenzentrale in den USA aufgeschreckt. Die Verantwortlichen der Restaurant-Kette mit weltweit 44’000 Beschäftigten und 1,66 Milliarden Dollar Jahresumsatz ziehen offenbar derzeit über eine Londoner Rechtsanwaltskanzlei Erkundigungen ein. Die Helvag Gruppe habe vom US-Konzern lediglich für drei Restaurants die Lizenz erhalten, erklärt Oberstaatsanwalt Bauer aus Würzburg.
Die Helvag Gruppe hätte sich als Investor von Anlagegeldern einer Selbstregulierungsorganisation (SRO) anschliessen müssen. «Unser Treuhandbüro ist beim Zuger Verein zur Qualitätssicherung im Finanzdienstleistungsbereich (VQF) angeschlossen, das reicht», ist Eva Oehler überzeugt. Anderer Ansicht ist VQF-Präsident Peter Rupper. «Das Treuhandbüro werden wir genau prüfen.»
Weniger genau geprüft wurden die Aufenthaltsbewilligungen der vorbestraften Drahtzieher Wolfgang Graf und Karl-Heinz Klefisch. Beide bekamen von den Zuger Behörden ohne Probleme eine Arbeits- und Kurzaufenthalter-Bewilligung von 120 Tagen pro Jahr. Der Vorsteher des Amtes für Ausländerfragen, Georg Blum, erklärt: «Eine routinemässige Leumundsprüfung nehmen wir nur bei gewissen Nationalitäten vor, vor allem bei den Russen.»