Werbung aus der Giftküche

Werbung aus der Giftküch

Sie war nie auf Plakaten oder am TV zu sehen: Abgewiesene Werbung muss nicht schlecht sein – aber auch nicht gut.

Sie ritzt Tabus und schlägt heilige Kühe tot, sie bietet frechen Witz oder hintergründigen Humor, manchmal sogar erfrischenden Blödsinn: Etwa so kommt Werbung daher, die von den Auftraggebern abgeschmettert wurde, Werbung, die in dunklen Schubladen vermodern muss, Werbung also, die wir nie zu Gesicht bekommen. Freche Geniestreiche, bei denen gräuliche Marketingdirektoren das Hosenflattern kriegen.

Insgeheim stellen wir uns die Werbung aus dem Giftschrank so vor. Doch wie ist sie wirklich? Saufrech? Manchmal. Genial? Selten. Wer eine Auswahl von Plakaten und Inseraten betrachtet, die «abgeschossen» wurden, wie es im Fachjargon heisst, erblickt etwa dasselbe wie auf unsern Strassen und Zeitungsseiten: hie und da einen Genieblitz, hie und da ein witziges Perlchen, viel Handwerk und allerlei Schrott. Denn auch Werbung aus dem Giftschrank wurde nur mit Wasser gekocht; abgeschossen heisst nicht ausgezeichnet.

Das lässt das Projekt «Rejected» vermuten, dessen zweite Ausgabe soeben erschienen ist. Für den Bildband hat eine Jury mit hochkarätigen Kreativen wie Benetton-Schreck Oliviero Toscani und Erfolgswerber Holger Jung das Werbetreiben gegen den Strich gebürstet: «Rejected» zeigt die besten internationalen Kampagnen, die nie publiziert wurden. Die Auswahl aus den Jahren 1997 bis 1999 bietet zwar allerlei Verblüffendes, und beim Durchblättern rätselt man vereinzelt, wie ein Kunde – um Himmels willen – so etwas Witziges abschmettern konnte. Zumal die Auftraggeber gern irritierende Begründungen abgeben: Als «zu elegant» kanzelte beispielsweise das Berliner Jazzradio 101,9 eine Kampagne ab, welche die Vorurteile gegen Jazzer überzeugend ins Positive drehte.

Was «Rejected» spannend macht, sind indes weniger die bestechenden Einzelfälle, auch nicht die spektakulären Abrutscher in den Schmuddel. Vielmehr lebt das Projekt vom grossen Ganzen: Der Querblick lässt ahnen, wie gross die Kommunikationsspielräume derzeit sind. Sex, lernen wir zum Beispiel, ist wenig tabubelastet: Sujets, die an übertriebener Offenherzigkeit scheiterten, sind Raritäten auf der bunten schwarzen Liste von «Rejected». Heikler, lernen wir weiter, wird es bei Politik und Religion: Keine Firma will ihre Ware mit den Visagen von Adolf Hitler, Erich Honecker oder Skinheads präsentiert haben, und auch den Papst sollte ein Werber besser nicht veräppeln. Mit dem Humor, erfahren wir schliesslich, ist es so eine Sache: Guter Humor macht bekanntlich die Werbung besser – aber selbst bester Humor ist schlecht exportierbar. «Bei paneuropäischen Kampagnen hören die Agenturen oft das Argument, die Zentrale verstehe den Witz nicht», weiss die Projektleiterin von «Rejected», Veruschka Götz. Und in Zürich sagt Christophe Guye von der Agentur Guye und Partner: «Nur in Ausnahmefällen kann die ganze Welt über denselben Witz lachen.»

All das deutet auf rationale Urteile. Freilich: Bei den Entscheiden über Sein oder Nichtsein einer Kampagne spielt der Zufall eine Hauptrolle; auch das zeigt «Rejected». Falls überhaupt, begründen die Kunden ihr Njet gern oberflächlich, gar verwedelnd: «Passt nicht zur internationalen Strategie.» Dem entspricht die Erfahrung vieler Schweizer Agenturen, wo man sich Erklärungen à la «wir werden nicht warm damit» ebenfalls gewohnt ist. Das hat seine Logik – Werbung ist schliesslich keine exakte Wissenschaft. Und so können die Macher oft nur vermuten, was eine Ablehnung ausgelöst hat. «Vorschläge werden abgewiesen, weil sie nach Aussage des Kunden zu wenig präzis sind», resümiert der Kreativdirektor von Sulzer, Sutter in Zürich, Francis Sutter. «Oder weil sie zu ungewohnt sind, zu provokativ.» Und Peter Lesch sagt: «Heikel kann es werden, wenn eine Kampagne zu fein ist, zu hintergründig, sogar zu intelligent.»

Das sind keine präzisen Regeln, aber die Erfahrungen passen zum dem, was der Blick in den Giftschrank zeigt: In der Werbung ist zwar zunehmend mehr erlaubt, «anything goes». Der Rest bleibt aber Glückssache.

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