Von 20 Kilo auf 90 Gramm

Von 20 Kilo auf 90 Gramm

Die Mobiltelefonie in der Schweiz hat eine rasante Entwicklung hinter sich. Ein kurzer Überblick.

Wer sich heute über sein Handy ärgert, weil er oder sie es zu schwer, zu gross oder zu teuer findet, sollte sich die Entwicklung dieser Geräte vor Augen halten. Kein anderes Produkt hat sich so schnell und so grundlegend verändert wie das Mobiltelefon. Was früher einer kleinen Gruppe von Berufsleuten, die darauf angewiesen waren, vorbehalten war, ist heutzutage absolute Massenware. Klein, leicht und für jedermann erschwinglich, wird das Handy völlig selbstverständlich genutzt. Dabei war beim Start der mobilen Telefonie in der Schweiz vor bald 50 Jahren niemandem so richtig klar, wer unterwegs eigentlich telefonieren will.

Telefon mit Auto

Das erste Autotelefonnetz der PTT wurde 1952 in Betrieb genommen. Es war auf die Region Zürich beschränkt und bot eine nur mässige Funkqualität. Aber bis weit in die 70er-Jahre gab es (abgesehen vom Betriebsfunk) überhaupt keine andere Möglichkeit der mobilen Telefonie. Der «Tages-Anzeiger» besass von diesen ersten Autotelefonen genau ein Stück. Die Sender-/Empfängertechnik füllte den halben Kofferraum des Dienstwagens unseres damaligen Fotografen Karl Schweizer. Gebraucht wurde das Gerät selten – man wusste eigentlich gar nicht so recht, wozu jemand im Auto telefonieren oder angerufen werden sollte.

1978 brach das Natel-Zeitalter an (Natel stand für: Nationales Autotelefonnetz). Feierlich erklärte der zuständige PTT-Generaldirektor, von jetzt an sei es möglich, in der Schweiz jederzeit und überall erreichbar zu sein. Das Marktpotenzial wurde mit 10 000 Abonnenten angenommen – und die Planer kamen sich dabei grosszügig vor.

Trotz horrender Gerätepreise (EinbauSet fürs Auto 10 000 Franken, Koffergerät 13 000 Franken) und betrieblichen Einschränkungen (Aufteilung des Landes in Teilnetze, Gesprächszeitbegrenzung auf drei Minuten) fand das Natel Anklang. Die Kapazität musste laufend erweitert werden, es kam zum A-Netz ein B-Netz hinzu. Die Geräte, geliefert von heute verschwundenen Flaggschiffunternehmen der Schweizer Fernmeldeindustrie (BBC, Autophon), hatten jetzt keine Wählscheibe mehr, sondern eine vornehm beleuchtete Tastatur.

Die Funkqualität von Natel A/B war gut, die Abdeckung des Landes sogar eher besser als bei den späteren Systemen (was mit der verwendeten Wellenlänge zusammenhängt). Via Akustikkoppler konnte man schon damals die ersten Vorläufer der heutigen Laptop-PC anschliessen. Das war allerdings mit so viel Aufwand verbunden, dass beim «Tages-Anzeiger» zunächst einmal weiterhin das Telefondiktat die Regel blieb.

Schon 1982 wurde mit der Planung der nächsten Generation begonnen. Pläne der PTT, gemeinsam mit Frankreich und Deutschland ein internationales Netz zu errichten, zerschlugen sich an den technischen Ambitionen der Nachbarländer und dem damit verbundenen Zeitplan – die Schweiz hatte es eiliger. Man wählte dann die in den skandinavischen Ländern eingeführte analoge Norm NMT (Nordic Mobile Telephone System), die zwar nicht mit den Systemen unserer Nachbarländer kompatibel war, aber dafür sofort zur Verfügung stand.

1987 wurde bereits das erste Natel-C-Netz in der Region Zürich eingeschaltet. Die Gerätepreise fielen gleich einmal auf die Hälfte und sanken später noch weiter, als Lieferanten tauchten nun auch grosse internationale Marken auf: Ericsson, Nokia, Motorola, Siemens, Bosch, Alcatel, Philips, Panasonic und viele weitere. Das tragbare Komforttelefon wog jetzt nicht einmal mehr ganz drei Kilogramm.

Die Schweiz gehörte dank Natel C schnell zu den Ländern mit der grössten Autotelefondichte (25 Geräte auf 1000 Einwohner), hinter Skandinavien, weit vor Deutschland und Frankreich (jeweils 6 Geräte auf 1000 Einwohner). Im Juli 1991 wurden erstmals mehr Handys als Einbaugeräte fürs Auto verkauft – jetzt brach ein neues Telefonzeitalter an.

Ebenfalls 1991 konnte die Fachwelt an der Fernmelde-Weltausstellung in Genf die ersten Prototypen eines neuen Mobiltelefons nach dem internationalen digitalen Standard GSM bewundern. Ein Pilotnetz, das sich über die Region Genf und die französischen Nachbarstädte erstreckte, bewies, dass man auch ganz kleine Handys grenzüberschreitend benützen kann.

Der Wechsel vom analogen ins digitale Mobilfunkzeitalter erfolgte mit der Einführung von Natel D 1993. Die Geräte wurden immer kleiner und günstiger, sodass es 1997 in der Schweiz rund 840 000 Natel-Benutzer gab (davon 610 000 auf dem D-Netz). Jetzt war der Siegeszug des Mobiltelefons europaweit nicht mehr aufzuhalten. Im Jahr der Liberalisierung – am 20. April 1998 erteilte die Eidgenössische Kommunikationskommission ComCom den Privatfirmen Diax und Orange je eine Mobilfunklizenz – hatte bereits knapp jeder Vierte in der Schweiz ein Handy. Telefonieren im Ausland, die Nutzung eines digitalen Anrufbeantworters und der Versand und Empfang von SMS sind selbstverständlich geworden und das «alte» Natel C wurde definitiv zum Museumsstück: Das Netz wurde am 31. Dezember 2000 stillgelegt.

Ende letzten Jahres wurden in der Schweiz 63,7 Mobiltelefonanschlüsse auf 100 Einwohner gezählt, 33-mal mehr als zehn Jahre zuvor.

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