Unschuldige ausgenommen

Unschuldige ausgenommen

Kontoinhaber werden mit gefälschten Zahlungsaufträgen um Millionen Franken betrogen. Banken und Polizei handeln jetzt gemeinsam.

Die Erfindung stammt aus Afrika, die diskriminierende Wortschöpfung aus Frankreich. Zaire-Connection oder kurz Z-Connection nannten französische Polizisten Anfang der Neunziger kongolesische Banden, die mit gefälschten Zahlungsaufträgen abkassierten.

Doch diese Methode ist längst kein französisches Phänomen mehr. In ganz Europa plündern heute Gruppierungen der Z-Connection Post- und Bankbriefkästen. Die erbeuteten Zahlungsaufträge werden manipuliert und damit Konten unschuldiger Bankkunden geleert – seit 1994 auch in der Schweiz. Anfänglich war Genf der Tatort Nummer eins, inzwischen operieren die Banden landesweit.

Die Zahlen sind erschreckend. «1998 und 1999 sind im Kanton Zürich wegen gefälschter Zahlungsaufträge 170 Strafanzeigen eingegangen», bestätigt Martin Sorg, Sprecher der Kantonspolizei (Kapo) Zürich, «die Deliktsumme beläuft sich auf rund 14 Millionen Franken.» Die Dunkelziffer liegt deutlich höher.

In Luzern tönt es nicht viel anders. 1999 wurden laut Kapo-Sprecher Franz Baumeler neun Betrugsversuche in Höhe von «über 3,5 Millionen Franken» registriert. In Bern sind bei den Untersuchungsrichter-Ämtern «mehrere solche Vorfälle hängig», sagt Jürg Mosimann, stellvertretender Informationschef der Kantonspolizei. Und in der Romandie gehört diese Art der Abzockerei schon beinahe zum Alltag. Dort sind speziell ausgebildete Fahnder im Einsatz.

Dennoch stehen die Polizisten dem Phänomen beinahe hilflos gegenüber: «Die Täterschaft ist in jedem Fall unbekannt», sagt Baumeler von der Kapo Luzern. Abgesehen von einem Grossfang im Kanton Zug im April 1999, stehen die Luzerner mit ihrer mageren Erfolgsquote nicht alleine da. Kein Wunder, der Betrug spielt meist in mehreren Kantonen. Kontoeröffnung, Diebstahl der Dokumente bei Bank oder Post, Geldbezug und die Einreichung der Strafanzeige erfolgen fast immer an verschiedenen Orten. Lückenhaftes Datenmaterial, Koordinationsprobleme und Kompetenzstreitigkeiten sind die Folge.

Das soll sich jetzt ändern. Laut Informationen von FACTS wollen Post, Polizei, Gross- und Kantonalbanken enger zusammenarbeiten. Unter Federführung der Waadtländer Kantonalbank wurde im Frühling 1999 die Commission Interbanques, Poste et Polices gegründet. In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) wird demnächst ein Frühwarnsystem installiert. «Zur Unterstützung der Polizeikorps wollen wir bei der Koordination und dem Informationsaustausch helfen», sagt BAP-Sprecher Folco Galli, «im Zentrum stehen der Schriftverkehr mit Interpol und das Informationssystem organisierte Kriminalität (ISOK).»

In einer Pilotphase wird nur die Romandie miteinbezogen. Später ist die Erweiterung bis nach Zürich geplant. Ziel ist es, Aktionen der Z-Connection möglichst schnell allen betroffenen Institutionen mitzuteilen – vorausgesetzt, Datenschutz, Amts- und Berufsgeheimnisse werden nicht verletzt.

Eine längst überfällige Massnahme. Denn das Vorgehen der Z-Connection wird immer raffinierter. Um nicht aufzufallen, stammen die Frontleute nicht mehr aus Angola oder dem Kongo, sondern aus Europa. Falls keine Konten zur Verfügung stehen, eröffnen diese mit gefälschten Papieren eine neue Bankbeziehung und besorgen sich so eine Bancomat-Karte. In einem zweiten Schritt werden die begehrten Zahlungsaufträge beschafft. Während Mitte der Neunzigerjahre noch das archaische Knacken von Postbriefkästen en vogue war, gehen die Betrüger heute effizientere Wege.

«Es besteht die Möglichkeit, dass nebst anderen Vorgehen auch postintern Zahlungsaufträge abhanden gekommen sind», heisst es bei der Kapo Luzern vorsichtig. Die Luzerner Fahnder tippen für 1999 in sechs von neun Fällen auf diese Methode. «Der Verdacht auf betrügerische Machenschaften von Post- oder Bankmitarbeitern besteht immer wieder», sagen auch die Zürcher Kollegen. Beweise fehlen. Tatsächlich wurden bisher kaum Postangestellte überführt. «Einzig in der Westschweiz wurde im letzten Dezember ein Mitarbeiter erwischt», sagt Post-Sprecher Etienne Habegger, «für die Kunden gab es keinen Schaden.»

Hingegen grassiert an der Limmat eine andere, dreiste Methode. «Im letzten halben Jahr wurden die Zahlungsaufträge mehrheitlich direkt aus Bankbriefkästen gestohlen», stellt Kapo-Sprecher Sorg fest, «es handelt sich dabei um mehrere Dutzend Fälle.» Tatwaffe: ein Draht, umwickelt mit Teppichklebeband.

Die erbeuteten Dokumente sind einfach zu manipulieren. Vor die Totalsumme der Vergütung wird eine weitere Zahl gesetzt, und ein Einzahlungsschein mit demjenigen des Betrügerkontos ausgetauscht. Im Visier haben die Banden meistens Bank- und nicht Postkonten. Sie versprechen sich davon eine höhere Beute, die sie mittels Bancomat-Karte überall in der Schweiz abkassieren können.

Der Trick gelingt nicht immer, die Banken haben dazugelernt. «West African Crime» lautet der interne Code-Name bei der Zürcher Kantonalbank. «Seit Anfang 1999 konnten wir zwölf Betrugsversuche feststellen und vereiteln», sagt eine Sprecherin. Bei der Credit Suisse wurden im letzten Jahr 29 Betrügereien registriert, davon konnte in 20 Fällen die Überweisung verhindert werden. Dubiose Empfängeradressen oder fragwürdige Kontoeröffnungen lösten bankintern den Alarm aus.

Versagt jedoch das Sicherheitsnetz – bei der CS neunmal 1999 –, ist die Katastrophe perfekt. Und es haftet niemand. «Das Risiko des Betrugs liegt beim Kontoinhaber», sagt Banken-Ombudsmann Hanspeter Häni. Hoffnung gibt es nur, wenn den Banken eine krasse Verletzung der Sorgfaltspflicht nachgewiesen werden kann. Ein schwieriges, aber nicht unmögliches Unterfangen. Den Beweis liefert eine Klage gegen die UBS.

Der Alptraum begann am 24. März 1999. Die Kundin füllte einen gewöhnlichen Zahlungsauftrag «UBS easy» aus. Totalsumme: 69 031.15 Franken. Zusammen mit acht Einzahlungsscheinen warf sie den Auftrag in einen Postbriefkasten.

Kurz danach schlugen die Betrüger zu. Als der Brief schliesslich bei der UBS eintraf, hatte die Z-Connection ganze Arbeit geleistet. Vor den Totalbetrag war eine Eins gesetzt, und ein Einzahlungsschein über 100.50 Franken war mit einem anderen über 100 000.50 Franken ausgetauscht worden. Neuer Empfänger: «Jean-Paul Bucha» mit Konto bei der Thurgauer Kantonalbank.

Die UBS schöpfte keinen Verdacht. Sie führte die Zahlung aus, obwohl das Konto plötzlich eine Unterdeckung aufwies. Zudem stimmte die neue Totalsumme nicht mehr mit den Einzahlungsscheinen überein. Damit nicht genug. Den Negativsaldo von 94 000 Franken bereinigte die UBS eigenmächtig. Ohne Rückfrage bediente sie sich bei einem anderen Konto der Kundin. «Bucha» war mit der Beute bereits untergetaucht.

In der Folge stellte die UBS eine besondere Art von Kundendienst unter Beweis. Es wurde abgestritten, abgeblockt und taktiert. Die UBS kapitulierte erst vor dem Zürcher Handelsgericht. Sie musste vor wenigen Wochen in einem Vergleich die Klage anerkennen: Der Schaden geht zu Lasten der Grossbank. Dort will niemand diese Panne kommentieren. UBS-Sprecher Rudolf Bürgin verweist aufs «Bankgeheimnis». Die Sicherheitsbestimmungen seien in den letzten Jahren aber laufend verbessert worden. Die Z-Connection kümmerts kaum.

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