Olympische Winterspiele laufen – Auch die Verlierer gewinnen

Schweiz Olympische Winterspiele laufen

Der Werbeeffekt der Kandidatur Sion 2006 hat die Schweiz auf den Geschmack gebracht: Drei Projekte für Olympische Winterspiele laufen.

 

Ziemlich intensiv war die Trauer. «Im Juni weinte ich, und im Juli nahm ich Ferien», sagt Jean-Pierre Seppey, der Generalsekretär der Olympia-Kandidatur Sion 2006. Doch nach so viel Salzwasser machte er sich schnell daran, ein neues Bewerbungsdossier auszuarbeiten. Sein Ziel: Winterspiele 2010 in Montreux.

 

Die trüben Gedanken des Sportfunktionärs Gaudenz Bavier verflogen schneller. Schon zwei Tage nach der Olympia-Abfuhr telefonierte er dem Bündner Ständerat Christoffel Brändli und unterbreitete ihm seine Idee: Winterspiele 2010 in Graubünden.

 

Dann sprang auch noch der Kleinunternehmer Lorenz Krebs auf den fahrenden Zug. Sein Ziel: Winterspiele 2014 in der gesamten Schweiz. René Burkhalter, Präsident des Schweizerischen Olympischen Verbands (SOV), zeigt sich «überrascht, dass alles so schnell ging». Spitzbübisch seine Freude ob des massierten helvetischen Interesses am Veranstalten von Olympischen Winterspielen.

 

Kein Wunder, denn im jetzigen Stadium können alle nur profitieren. Zuallererst der SOV, der von jedem ernsthaften Projekt eine Gebühr von 25 000 Franken kassiert. Und dann die involvierten Regionen: Bavier spricht von «unbezahlbarer Werbung»; Seppey von «einem hervorragenden Werbevehikel». Was schon in der Bewerbungsphase rentiert, erweist sich in der Kandidatur erst recht als lukrativ: Aus den 40 Millionen Franken für die Sittener Kandidaturen habe ein Werbewert von 100 Millionen resultiert, rechnet Edwin Rudolf vor. «Da können die im Wallis 200 Jahre lang Broschüren verteilen, bis sie dieselbe Wirkung erreichen», sagt der Direktor der Sporthilfe. Sollte eine Bewerbung also scheitern – der Aufwand lohnt sich trotzdem.

 

Auch für die Initianten, die allesamt einen Marketing-Background haben. Via Olympia-Projekt können sie sich für mindestens ein paar Monate Arbeit verschaffen. Nur im Falle von Krebs ist die unentgeltlich: Das vierköpfige Team seiner Jungfrau World Event GmbH investiert momentan unbezahlt Zeit in seine Träume. Dafür erhält Krebs’ Firma ziemlich viel Gratiswerbung. So schrieb ihm etwa Interlaken Tourismus bewundernd: «Sie sind immer wieder am Ball, wenn es darum geht, mögliche Anlässe und Festivitäten nach Interlaken zu bringen». Ein erstes Ziel hat der Berner Oberländer also bereits erreicht.

 

Am weitesten gediehen ist aber das Bündner Projekt. Bereits liegt eine 80-seitige Machbarkeitsstudie vor, erstellt für 65 000 Franken. Mitte Februar soll sie der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die Machbarkeit, davon ist auszugehen, ist kein Problem. Eine ungleich höhere Hürde dürfte die «Wünschbarkeit» sein, wie es Sekretär Bavier vorsichtig ausdrückt. Die letzte kantonale Volksabstimmung 1980 für eine Defizitgarantie für ein Bündner Olympia-Projekt scheiterte nämlich klar. «Wir werden eine riesige Arbeit leisten müssen, um die Bevölkerung von Olympia zu überzeugen», ist sich Bavier bewusst.

 

Im inneren Zirkel hat das Projekt bereits zu einer Zerreissprobe geführt. Ein Werber trat wegen der Olympia-Ideen aus dem Vorstand von Graubünden Ferien aus. Und der Bündner Regierungspräsident Peter Aliesch zerzauste im Interview mit einem TV-Lokalsender die Olympia-Pläne. Auch direkt Involvierte, wie etwa der Sankt-Moritzer Kurdirektor Hanspeter Danuser, schossen scharf. Das Olympia-Konzept sei «rückwärts gewandt», liess er vor Wochen verlauten.

 

Nun haben sich die Bündner Exponenten allerdings auf einen Waffenstillstand geeinigt – wenigstens bis zur öffentlichen Präsentation. «Wir mussten uns einfach mal bemerkbar machen. Das ist ein normaler Vorgang», verwedelt Danuser die Missstimmung. Und lässt gleichzeitig durchblicken, dass er Olympia ohne den Einbezug der Grossstadt Zürich nicht für machbar hält. «Graubünden darf nicht tiefstapeln. Wenn wirs nicht alleine schaffen, wer dann?», hält ihm Initiant Bavier wacker entgegen.

 

Der Kontakt zu Zürich war denn bisher nur vage. Das Präsidialamt teilt mit, dass bisher «keine offizielle Anfrage» eingetroffen sei. Zürich habe Schulden in der Höhe von 1,5 Milliarden Franken abzubauen, da mache es keinen Sinn, bei einem potenziell defizitären Projekt einzusteigen, sagt der Informations-Beauftragte. Ausserdem sei die Stadt international sehr gut positioniert, da habe man Olympia nicht nötig.

 

Weniger dissonante Töne sind aus Montreux zu vernehmen. Dort bezieht die Arbeitsgruppe um Jean-Pierre Seppey diese Woche ein Büro und vollendet ihre Machbarkeitsstudie. Ihr Projekt atmet noch immer den Geist von Sion 2006. Zum einen hat das damit zu tun, dass einige der Orte aus der ursprünglichen Kandidatur weiter dabei sind. Zum andern aber auch, dass der Arbeitsgruppe neben Ex-Generalsekretär Seppey zwei weitere Personen des früheren Kandidatur-Komitees angehören.

 

Über die Identität dieser Personen wird eisern geschwiegen. Gerüchtehalber sickerte der Name von Chef-Lobbyist Jean-Michel Gunz durch. Seppey winkt ab. «Auf internationaler Ebene hat Sion 2006 schlecht kommuniziert und lobbyiert. Das müssen wir verbessern.»

 

Bekannt ist auch, dass der grossspurige Ex-FC-Sion-Präsident, Christian Cons-tantin, mit keiner offiziellen Aufgabe betraut ist – obwohl er Seppey mit dem Stadtpräsidenten von Montreux zusammengebracht hatte.

 

Am wenigsten Kredit ist der gesamtschweizerischen Kandidatur einzuräumen. SOV-Präsident Burkhalter spricht diesbezüglich schon jetzt von einer «Trockenübung». Als besonders seltsam empfindet er es, dass sich der Berner Oberländer Initiant bisher nicht beim SOV gemeldet habe. Lorenz Krebs bevorzugt offenbar andere Kanäle: Er bat den Schweizer Sportchef der Winterspiele 1994 von Lillehammer, Martin Burkhalter, sowie Bundespräsident Adolf Ogi schriftlich um eine Beurteilung. «Wenn sich beide negativ äussern, blasen wir das Projekt ab», sagt Krebs.

 

Da würden noch Graubünden und Montreux im nationalen Rennen bleiben. Die Messer werden beiderseits schon jetzt gewetzt. «Es dürfen nicht alle Grossveranstaltungen in der Romandie stattfinden», fordert Gaudenz Bavier. Diese Haltung treibt Jean-Pierre Seppey den Schweiss auf die Stirn. «Ich habe Angst vor einem politischen Entscheid», gesteht er. Aus taktischen Gründen hat er schon mal zwei Deutschschweizer in seine Arbeitsgruppe aufgenommen.

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