Nach der Euphorie: neue Lösungen gesucht

Euphorie

Die Werbung im Internet steckt in der Krise. Mit dem Abklingen der Internet-Euphorie sind auch die Online-Werbeeinnahmen zurückgegangen; in der Schweiz herrscht (noch) Stagnation. Nicht nur die Online-Vermarkter ziehen daraus ihre Konsequenzen.

«Banners are the plankton of the interactive food chain.» Mit diesem Zitat von Myer Berkow (AOL) wirbt die Düsseldorfer Internet-Agentur BBDO Interactive für Online- Werbeformen. Doch die Grundnahrung der werbetreibenden Internet-Wirtschaft ist in letzter Zeit nicht mehr so beliebt. Dramatisch sinkende Klickraten und Werbeeinnahmen lassen nicht wenige Online-Werber an den Aussichten des Banners zweifeln. Manch einer erklärte das briefmarkengrosse Anzeigenformat bereits für tot.

Trotzdem Zuversicht

Zweifellos: Das Geschäft mit dem Banner blüht nicht mehr. Das zuvor hohe Wachstum der Werbeinvestitionen in Europa hat sich in den vergangenen Monaten deutlich abgeschwächt. Realismus setzt sich nun gegenüber überzogenen Geschäftsplänen durch. Während sich die Unternehmen der Old Economy bezüglich Online-Werbung noch zurückhalten, geben sich dieVermarkter trotzdem zuversichtlich: «Media-Budgets folgen dem Media-Konsum», konstatiert Martin Radelfinger, Schweizer Geschäftsführer des international tätigen Online-Vermarkters Adlink Internet Media. «Online-Media werden künftig einen zunehmenden Teil des Werbebudgets beanspruchen.»

Die Realität straft solche Worte allerdings Lügen: Die Online-Vermarkter müssen sparen. Adlink hat seine Umsatzerwartungen Anfang dieses Monats gemässigt. Von den im Februar angestrebten Steigerungsraten zwischen 60 und 70 Prozent ist keine Rede mehr. «Wegen der rückläufigen Konjunktur» sei das Umsatzziel für 2001 auf 35 bis 40 Millionen Euro reduziert worden. Im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen 30 Millionen erwirtschaftet. Als erste Konsequenz kündigte das am Neuen Markt in Frankfurt notierte Unternehmen die Schliessung seiner Tochtergesellschaft in Finnland an. Auch der Konkurrent Ad Pepper bläst zum Rückzug. Die Turbulenzen im amerikanischen Online-Markt liessen mittelfristig keine Profitabilität erwarten, sagt Vorstandschef Ulrich Schmidt. Nun sollen unrentable Niederlassungen in den USA, Österreich und der Schweiz geschlossen werden.

Aufforderung zum Umdenken

Trotzdem: Nach dem – notwendigen – Knick dürften die Ausgaben für Werbung im Internet wieder ansteigen. Allerdings schwanken die Umsatzprognosen stark. Das Marktforschungsinstitut Forrester Research geht optimistisch davon aus, dass im Jahr 2005 mit 6 Milliarden Euro etwa 5 Prozent des gesamten Werbebudgets in internetbasierte Werbung fliessen werden. Fürs laufende Jahr erwarten die Marktforscher sogar einen Anstieg von 70 Prozent bei den Ausgaben für Online-Werbung in Europa. In der aktuellen Studie «Rewriting Online Ads» weisen die Analysten jedoch auch darauf hin, dass Online- Werber umdenken müssen. Gefragt seien, so die Forrester-Analystin Diana Janssen, interaktive Szenarien und neue Methoden zur Messung des Konsumentenverhaltens. Nach Ansicht der Expertin müssen Kampagnen der Zukunft rasch an neue Verbraucherwünsche angepasst werden.

Ein Szenario zur Wiederbelebung des Werbebanners entwickelte «C-Net»: Das US-amerikanische Online-Magazin hatte im Januar Banner in neuen Formaten geschaltet und damit für Furore gesorgt. Das Besondere war die Placierung: Die Werbung wurde nicht mehr auf den oberen und unteren Rand der Webseiten verbannt, sondern sprang dem Leser mitten im Text ins Auge. Das Experiment war ein durchschlagender Erfolg. Die Klickrate, die Häufigkeit, mit der Nutzer auf ein Banner klicken, konnte klar verbessert werden.

Frischer Wind dank neuen Standards?

Auf den Vorstoss reagierte das Internet Advertising Bureau (IAB) mit neuen Standards. 1996 bereits hatte der Verband der Internet- Werbeindustrie acht Form- und Grössenvorschriften festgelegt. Ziel war eine möglichst einfache Abwicklung zwischen Werbetreibenden und Werbeträgern. Nun hat das IAB, zu dem Internetgrössen wie America Online, Doubleclick und Yahoo zählen, sieben neue Werbeformate vorgeschlagen, die vor allem eins auszeichnet: Sie sind grösser als die bereits vorhandenen Formate. Die neuen Richtlinien sollen eine grössere Datenfülle auf den Web-Anzeigen, aber auch mehr Interaktivität ermöglichen. Dazu wird die bisherige Palette um Querformatbanner, ein quadratisches Pop-up sowie zwei vertikale Onlineanzeigen ergänzt. Die sogenannten Skyscraper beispielsweise können sich seitlich übereine ganze Webseite erstrecken. Neu aufgenommen wurden auch Banner, die ins redaktionelle Umfeld eingebunden sind: Künftig können auch einzelne Textpassagen durch Werbeblöcke getrennt werden. In den kommenden Monaten will das IAB prüfen, ob die neuen Banner vom Nutzer angenommen werden.

Die IAB-Initiative weckt Hoffnungen in der Branche. Frischer Wind fürs Online-Anzeigengeschäft dank der neuen Gestaltung der Anzeigen also? In den USA wurden die IAB-Vorschläge von weiten Teilen der Werbeindustrie begrüsst. Hierzulande sind sich Multimedia-Agenturen und Online-Vermarkter in einem einig: Neue Banner allein sind nicht das Allheilmittel in der gegenwärtigen Krise. Der Multimedia-Pionier Peter Kabel ist nicht der einzige, der die Konsequenzen zog: «Von der klassischen Bannerwerbung haben wir uns fast gänzlich verabschiedet», sagt der Geschäftsführer der Hamburger Internet-Agentur Kabel New Media. «Schlichte Werbung im interaktiven Raum – und nichts anderes sind Banner – erscheint uns nicht mehr zeitgemäss.»

Klicks sind nicht das einzige Kriterium

Neue Wege sind gefragt. Denn auch die neuen Formate werden den Nutzer nur für kurze Zeit verführen können. Einmütigkeit herrscht darüber, dass Klickraten wenig über den Erfolg einer Werbeform aussagen. Immer mehr setzt sich in der Branche die Ansicht durch, dass das Banner nicht nur ein Marketinginstrument ist, das zum Klicken bewegen soll, sondern auch eine direkte Massnahme zur Markenbildung und zur Kundenansprache sein kann. «Der Klick ist nicht die einzig wichtige Leistungsdimension», sagt Martin Radelfinger. Und gerade dort, wo das Banner aggressiv oder provokant gestaltet ist, besteht häufig genug eine negative Korrelation zwischen dem Klick und dem Markenimage.

Der Markenbildung wird jedoch immer wichtiger. «Branding führt häufiger zu einer Umwandlung als der reine Klick», erklärt Ueli Weber, Geschäftsleitungsmitglied des Zürcher Online- Vermarkters Publimedia Webadvertising. Arndt Groth, Geschäftsführer von Doubleclick Deutschland, bestätigt dies: «Der positive Einfluss aufs Markenbild tritt nicht erst mit dem Klick auf das Banner ein, sondern bereits durch die Wahrnehmung des Werbemittels.» Während sich das standardisierte Bannergeschäft in Richtung Transaktion entwickle, könnten die Sonderwerbeformen künftig verstärkt zur Markenkommunikation eingesetzt werden. Gerade Formaten wie dem vertikalen «Skyscraper» wird attestiert, die Markenbildung zu unterstützen.

Keine Frage: Die Online-Werbung muss neu überdacht werden. Mit grösseren Formaten und Rich-Media-Techniken allein lässt sich die Gunst des Nutzers aber nicht zurückerobern. Während Agenturen wie Kabel New Media zunehmend auf «Cross-Media-Selling», die Verschmelzung von On- und Offline-Kampagnen, setzen, entwickelt der Online-Vermarkter Adlink gemeinsam mit dem Münchner Direktmarketing-Unternehmen Mindmatics Marketinglösungen für den Mobilfunk. Und Julian Simons, Leiter Geschäftsentwicklung bei Plan-Net-Media in München, sieht künftig eine grosse «Chance für wesentlich content-orientiertere Banner». Dies untermauerte der deutsche Marktführer im Bereich Online-Mediaplanung kürzlich durch seine Studie über «OnlineWerbeWirkung». Die Untersuchung ergab, dass Werbeformen wie Pop-ups und «Skyscraper» neue Möglichkeiten «für eine aufmerksamkeitsstarke und emotionalere Kommunikation» vermitteln. Am häufigsten angeklickt werden demnach Online-Banner, die einen klaren Produktnutzen versprechen. Sie bleiben besser in Erinnerung und haben deshalb eine stärkere Ausstrahlung auf das Markenimage.

«Grössere Formate erleichtern es den klassischen Markenartiklern, vermehrt online zu werben und ihre Kampagnen für das Internet zu adaptieren», fasst Ralf Scharnhorst den Nutzen der IAB-Richtlinien zusammen. Dem Mediadirektor der Hamburger Agentur Sinner-Schrader und Leiter des Arbeitskreises Media im Deutschen Multimedia-Verband greift die Initiative jedoch zu kurz: «Online-Werbung wird wie Printwerbung behandelt, wenn wir nur Breite mal Höhe definieren. Wir müssen sie aber künftig mehr mit Fernsehwerbung vergleichen und daher Zeitmasse wie 20 oder 30 Sekunden Dauer festsetzen.» Dies ist das grösste Manko der gegenwärtigen Online-Werbung: Alle gängigen Werbeformate übertragen nur die klassische Werbung aufs Netz, ohne die Möglichkeiten desInternets für eine zielgruppengenaue Kommunikation auszuschöpfen.

Die Chancen der Internet-Werbung sind noch längst nicht ausgereizt. Die neusten Techniken lassen erahnen, welch grosses Potenzial in den Online-Werbeformen liegt. Und während in Agenturen und bei Vermarktern noch eifrig diskutiert wird, welche Banner am besten wirken, ist ein Pull-Verfahren gerade dabei, den Kinderschuhen zu entwachsen: Permission Marketing. Die Werbeform übermittelt dem Nutzer per Mail nur solche Informationen, die dieser tatsächlich haben will. Erwünschte, auf den einzelnen Nutzer direkt zugeschnittene Angebote, die besser beachtet werden, könnten der Online-Werbung den ersehnten Aufschwung verschaffen. Dies allerdings setzt fordernde, aktive Nutzer voraus – und die sind auch im Internet nicht die Regel.

Leave a Reply

Esta web utiliza cookies propias y de terceros para su correcto funcionamiento y para fines analíticos. Al hacer clic en el botón Aceptar, acepta el uso de estas tecnologías y el procesamiento de tus datos para estos propósitos. Ver
Privacidad