Mit dem Handy ins Internet
Viel wird derzeit davon geredet, jetzt soll es endlich losgehen: Eine Technik namens WAP bringt Internetinhalte aufs Mobiltelefon. Obwohl die neue Technologie noch in den Kinderschuhen steckt, sind erste Eindrücke positiv.
Die Telecom- und Internetbranche hat ein neues Lieblingswort. Wer beispielsweise die neue Fernsehwerbung der Firma Swisscom gesehen hat, weiss Bescheid: Da hüpft eine Horde grüner Frösche kreuz und quer in der Gegend herum, und alle quaken: «Waaap, waaap, waaap!» Alles klar?
WAP heisst das Zauberwort, das Handy-Besitzer künftig, so verspricht die Werbung, mit ihrem Telefönchen auch im Internet herumsurfen lassen soll. Doch ausser ein paar Auserwählten – als Computer-Journalist gehört der Schreibende zu dieser Schar – hat noch kaum jemand dieses WAP gesehen. Die Gründe: Erst am 21. Februar startet Swisscom als erster der Schweizer Mobilnetzbetreiber offiziell mit WAP, und noch sind dafür taugliche Handys kaum erhältlich (siehe auch TA vom 19. 1.). Doch was ist WAP eigentlich genau?
Web-Technik fürs Handy angepasst
Das Kürzel WAP steht für Wireless Application Protocol – (Daten-)Protokoll für drahtlose Anwendungen – und ist eine Technologie, um Internetinhalte auch auf Mobiltelefonen darstellen zu können. Die Idee: Die Welt des World Wide Webs soll uns künftig jederzeit und überall zur Verfügung stehen, drahtlos, im handlichen Taschenformat. Dazu wird in das Handy ein kleiner Internet-Browser eingebaut – technisch keine Hexerei mehr.
Was einfach und einleuchtend klingt, hat aus ganz praktischen Gründen aber seine Tücken. Problem eins: der Bildschirm. Viele Web-Seiten sprengen ja bereits einen PC-Monitor mit 40 Zentimeter Diagonale. Der Bildschirm des Nokia 7110, des ersten, spärlich lieferbaren WAP-Handys, misst 4,5 cm und kann gerade mal 96×65 Bildpunkte darstellen, in Schwarzweiss. Herkömmliche Web-Seiten darauf anzeigen zu wollen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.
Das Problem wird so gelöst: Während Web-Seiten in der komplexen Web-Sprache HTML (Hyper Text Markup Language) programmiert werden, verwendet WAP eine abgespeckte Variante namens WML (Wireless Markup Language). Damit werden Miniatur-«Seiten» programmiert, die den engen gestalterischen Grenzen von Handy-Displays Rechnung tragen. Mit WML, wie es heute vorliegt, lassen sich nebst Text in einigen Grössen auch Tabellen sowie kleine 1-Bit-Grafiken darstellen – beispielsweise für Logos und Symbole. Mit dem WAP-Handy surft man also nicht eigentlich im Web, sondern auf speziell dafür programmierten WAP-Seiten. Diese können allerdings auf denselben Web-Servern gespeichert sein, für den Zugriff sorgen spezielle Rechner (Proxy/Gateways), die als Brücke zwischen Internet und Mobilfunknetz dienen.
Schwierigkeit zwei: die Tastatur. Auf Handys Text einzugeben, ist mühsam – obwohl es viele Liebhaber von SMS-Kurzmitteilungen gibt, die sich davon nicht abschrecken lassen. Auch Softwarehilfen wie die T9-Technik ändern nichts an der Tatsache, dass WAP-Anwendungen mit umfangreichen Benutzereingaben wenig Sinn machen.
So viel zur Technik. Wie aber sieht WAP in der Praxis aus? Unsere ersten Gehversuche unternahmen wir auf den WAP-Seiten der Swisscom, die als Pilotbetrieb zugänglich sind. Dieser ist zwar noch unstabil und nur zeitweise verfügbar. Allen, die bereits ein Nokia 7110 ergattern konnten, steht dieser Pilotbetrieb offen (Details im Internet auf http://wap-now.ch).
Um WAP nutzen zu können, muss das Handy dafür konfiguriert werden. Erste positive Überraschung: Das geschieht kinderleicht und automatisch über ein Konfigurations-SMS, das Swisscom aufs Handy schickt. Danach können wir im Handy-Menü «Dienste» auf «Start» drücken, und nach wenigen Sekunden erscheint ein Hauptmenü mit Logo: Weitere Tastenklicks holen Untermenüs und mehr auf den kleinen Bildschirm. Obwohl dieser nur wenige Zeilen darstellen kann, ist die Bedienung erstaunlich einfach und intuitiv. Das Nokia-Handy besitzt einen so genannten Navi-Roller, mit dem ähnlich wie mit dem Rädchen moderner PC-Mäuse bequem die Seiten hinauf und hinunter gerollt werden kann. Ein Beispiel: Unter «News» lassen sich auf dem Handy Meldungen von SwissTXT, Swissinfo, CNN sowie Migros abrufen. Dabei kann man sich zunächst durch die Schlagzeilen rollen, ein Klick zeigt dann die Meldung an. Auch durch längere Meldungen kann man sich recht gut bewegen.
Ein Vergleich zu Info-Diensten auf SMS-Basis zeigen die Vorteile von WAP für solche Anwendungen: Während SMS im Prinzip dem E-Mail entspricht, ist WAP echt interaktiv wie das Web. Eine weitere Stärke: Ein SMS ist auf Texte mit 160 Zeichen beschränkt, eine WAP-Seite hingegen kann bis zu 2 Kilobyte umfassen, was Raum für längere Texte gibt, auf Wunsch mit Mini-Grafiken gespickt.
Auch mit 9600 bps erträglich
Ein oft beklagter Nachteil der Datenkommunikation im heutigen GSM-Netz ist die relativ bescheidene Datenübertragungsrate von 9600 bps (Bits pro Sekunde). Dies fällt bei WAP allerdings nicht so sehr ins Gewicht: Für das Laden einer neuen, maximal 2 Kilobyte leichten Seite brauchte das Handy nur ein, zwei Sekunden – wenn sie im unstabilen Testbetrieb denn überhaupt kam. Die Datenübertragungsrate in den Mobilfunknetzen soll demnächst ohnehin ausgebaut werden.
Auf dem WAP-Pilot von Swisscom geben Menüeinträge wie Finance, E-Commerce, Travel (mit Hotelguide, Swissair, Kuoni) und Communication (mit E-Mail-Zugriff) einen Vorgeschmack darauf, was den Handy-Surfer beim offiziellen Start in drei Wochen erwartet. Das Swisscom-WAP soll übrigens auch Kunden von Orange und Diax offen stehen; die Konkurrenten wollen ohnehin bald mit eigenen WAP-Projekten folgen.
Die Branche hofft, dass WAP eine ähnlich explosive Ausbreitung erleben wird wie in den letzten Jahren das Web. Eine aktuelle Studie der Marktforschungsfirma Butler Group teilt diesen Optimismus und prognostiziert, dass bis im Jahr 2004 weltweit eine Milliarde WAP-taugliche Telefone im Einsatz sind.
Das Potenzial ist da
Noch ist WAP erst ganz am Anfang. Die ersten Eindrücke zeigen jedoch, dass diese Technologie einige faszinierende Möglichkeiten bietet. Ob und wie schnell sie sich breit durchsetzen wird, hängt nicht zuletzt von der Preispolitik der Mobilnetzbetreiber ab: Die jetzt von der Swisscom veranschlagten 20 Rp. pro WAP-Minute sind nicht billig. Der Blick auf den SMS-Boom zeigt allerdings, dass auch teure Tarife die Kunden nicht abschrecken, wenn sie eine Anwendung wirklich gut finden.