Martin Ebners Steuerfrau
Eveline Oechslin wird Präsidentin im Finanzimperium BZ Bank – und riskiert als Richterin in Steuerfragen Interessenkollisionen.
Nur einmal, ganz kurz, lässt Eveline Oechslin-Saupper, 41, etwas wie Schalk aufblitzen. Ob sie jetzt einen dummen Spruch machen soll, fragt sie keck, als sie auf ihre Rolle unter den 36 männlichen Kollegen in der Zürcher Anwaltskanzlei Homburger zu sprechen kommt. Den Spruch freilich bleibt sie schuldig.
Spätestens seit letzter Woche, als Martin Ebner die Juristin als Präsidentin seiner BZ Bank präsentierte, ist sie noch eine Spur vorsichtiger geworden. Kein überflüssiges Wort, keine unnötige Handbewegung, das einzig Extravagante scheint etwas Mèche im kurz geschnittenen Haar. Aufgewachsen in Tiefencastel GR, hat die Tochter eines Österreichers und einer Bündnerin eine beeindruckende Karriere hinter sich. Nach dem Studium in Sankt Gallen und der Tätigkeit in der Anwaltskanzlei Baker & Mc- Kenzie heuerte sie bei der Advokatur Homburger Rechtsanwälte in Zürich an.
Dort ist sie einzige Partnerin neben 15 Kollegen.
Mit dem Präsidium der BZ Bank, dem Kernstück in Ebners Finanzimperium, steigt die promovierte Juristin in die oberste Liga der Wirtschaftsprominenz auf. Oechslin – «eine unbekannte Juristin wird erste Präsidentin einer Schweizer Bank», schrieb die «Financial Times».
Ihre Wahl ist ein geschickter Zug. Die Spezialistin im Steuerrecht bringt wertvolles Know-how in die Bank, am Firmenstandort Freienbach ist sie privat wie politisch bestens verankert. Und was dem oft kritisierten Milliardär Satisfaktion verschaffen wird: Mit der 41-Jährigen hat er Freund wie Feind düpiert.
Anfang Dezember habe Martin Ebner sie angerufen und ihr den Job als Präsidentin des Verwaltungsrats der BZ Bank angeboten. «Erstaunt» sei sie gewesen, sagt Oechslin; vorher hätte sie Ebner, der in derselben Gemeinde wohnt, kaum gekannt.
Ins Spiel gebracht beim Mann mit der Fliege hat sie Walter Frischknecht, der Chef-Controller der BZ Gruppe, heisst es. Der Freisinnige Frischknecht war jahrelang Gemeindepräsident von Freienbach, Oechslin Präsidentin der liberalen Ortspartei. In den Niederungen der Lokalpolitik brillierte sie weniger mit politischen Vorstössen, sie profilierte sich als geschickte Aufbauerin der Partei. «Ich habe versucht, Professionalität reinzubringen.»
Aufgefallen ist die Parteipräsidentin, deren Ehemann an der Kantonsschule Kollegium Schwyz Rektor ist, als sie sich 1995 ins Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wählen liess. Die SP-Oberen hatten längst ausgemacht, ihren zurücktretenden Parteimann durch eine Genossin zu ersetzen. In einer «Geheimaktion» (SP-Kantonsrat Otto Kümin) habe sich Oechslin als Gegenkandidatin aufstellen und ins Nebenamt hieven lassen – auf Kosten der SP, die ihren einzigen Sitz im Gericht verlor. Wahr ist indes, dass die SP-Kandidatin bei den Bürgerlichen keinen Sukkurs genoss und man sich nur allzu gerne auf die kompetente Freisinnige geeinigt hat.
Heute entpuppt sich ihre Doppelrolle – Bankpräsidentin und Richterin am Verwaltungsgericht – als heikel. Walter Haller, Professor für Verwaltungsrecht an der Uni Zürich, hält die Konstellation für «problematisch». Für SP-Mann Kümin, den passionierten Ebner-Gegner, ists ein weiterer Schritt in der «schleichenden Einflussnahme» des Grossinvestors. Angreifbar wird die Ebner-Vertraute weiter, weil sie als Richterin ausgerechnet auch in jener Gerichtskammer Einsitz hat, die in Steuerrechtsfällen natürlicher und juristischer Personen höchstes kantonales Recht spricht.
Sie selber hält die Kritik an ihrer Doppelrolle für gänzlich unbegründet, beim leisesten Zweifel würde sie im Gericht in den Ausstand treten. Und wenn sich die Konstellation dennoch als problematisch erwiese? «Dann würde ich halt zurücktreten», meint sie emotionslos. Das könnte bald der Fall sein. Der Kundenstamm der BZ Bank ist breit, setzt sich aus institutionellen Grosskunden und aus 22 000 Kleinanlegern zusammen.
Oechslins Verhalten am Gericht entspricht den Gepflogenheiten im Kanton. Eine amtliche Pflicht zur Interessenoffenlegung gibts nicht; bei Konfliktpotenzial hat jeder Richter, jede Richterin in den Ausstand zu treten. Das ist gemäss Verwaltungsgerichtspräsident Werner Bruhin jeweils zwei-, vielleicht dreimal im Jahr der Fall.
Im Kanton Zürich wird die mögliche Interessenkollision sensitiver angegangen. Firmenmandate nebenamtlicher Richter müssen vor der Aufsichtsbehörde offen gelegt und vom Kantonsrat abgesegnet werden.
Die finanzielle Einbusse, die ihr aus der Aufgabe des Richtermandats erwüchse, könnte die Juristin locker wegstecken. Als nebenamtliche Verwaltungsrichterin kassiert sie 200 Franken pro Sitzungstag, fürs Aktenstudium gibts 30 Franken je Stunde. In ihrem hauptberuflichen Terrain gelten ganz andere Tarife: In der Anwaltskanzlei verrechnet sie 600 Franken – pro Stunde. Ihr Präsidentenamt bei der BZ Bank ist mit rund 100 000 Franken honoriert.
Vorerst wird sich die neue Bankenchefin ins Banking knien müssen. Zwar kennt sie sich in der Bewertung von Vermögenswerten oder in der Steuerminimierung bestens aus, doch um sich mit den globalen Finanzmärkten vertrauter zu machen, wird sie die internen Sitzungen der Finanzboutique BZ Bank frequentieren. Die Vorgabe in Ebners Powerhouse ist anspruchsvoll. Letztes Jahr schafften die 17 BZ-Angestellten einen Jahresgewinn von 260 Millionen Franken – es könnte ein Weltrekord sein. «Wir werden uns bemühen, den Erfolg der Bank weiterzuführen», meint sie.
Neckisch ist, dass Ebners Goldgräbertrupp, der virtuos und aggressiv an den Optionen- und Emissionsmärkten operiert, nun eine Präsidentin an der Spitze weiss, die persönlich etwas anderes investiert. «Ich bin eine konservative Anlegerin», gibt Oechslin zu Protokoll. Nicht riskante Titel sind ihre Präferenz, sondern solide Bluechips, die langfristig Rendite versprechen.
Exponiert hat sich Eveline Oechslin als Steuerexpertin, die jeden Beutezug des Staats aufs Portemonnaie des Anlegers und des Optionsbezügers abblockt. Ihr Fachwissen wird auch in Bundesbern geschätzt, etwa in der siebenköpfigen Expertenkommission Behnisch, die im Auftrag von Bundesrat Villiger nach Steuerschlupflöchern spähte. Die Mehrheit der Kommission sprach sich 1998 für die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer für Private aus. Kommissionsmitglied Oechslin war, logisch, dagegen. «Dadurch würde die Systematik in unserem Steuersystem nicht mehr stimmen, denn es basiert auf dem Grundgedanken, dass Kapitalgewinne steuerfrei sind.» Sonst müsste, argumentiert sie, die Vermögenssteuer abgeschafft werden.
Ihre oberste Prämisse ist, die Staatsfinanzen im Lot und die Verwaltung schlank zu halten. Echauffiert hat sich das FDP-Mitglied, als die Wirtschaftspartei FDP in den Anti-Ebner-Kanon einstimmte, nachdem der Börsenguru seine BZ Bank von Zürich nach Schwyz transferiert hatte. Die Kritik, sagt sie, sei «gänzlich unsachlich» gewesen.
Damals habe sie sich überlegt, Parteipräsident Steinegger einen Brief zu schreiben. Sie hat es unterlassen. Laute Töne sind ihre Sache nicht. Viel lieber baut sie auf das profunde Argument und ihre Kompetenz. Die männerdominierte Welt der Wirtschaftsanwälte scheint sie diese Verhalten gelehrt zu haben. Zu ihrer Stellung unter lauter krawattierten Kollegen sagt sie bloss: «Solange Fachwissen vorhanden ist und die Qualität der Arbeit stimmt, ist das Geschlecht kein Thema.»
Die distinguierte Zurückhaltung hat sich zum Markenzeichen verfestigt. Die Goldkette trägt sie unterm edlen Pullover, die Golduhr der Marke Baume & Mercier ist fein und unscheinbar. Ein kleiner Widerhaken wäre allenfalls ein Schild im Büchergestell, das sie nach einem sechsmonatigen Studienaufenthalt in Chicago erstanden hat. Es zeigt eine Reihe von Fuss- und Schuhabdrücken, ganz rechts jener eines Stilettos. Überschrift des Exponats im Büro: «Evolution of Authority». Dr. iur. Eveline M. Oechslin-Saupper ist auf Kurs.