Linux nur zum eigenen Nutzen
Das freie Betriebssystem Linux wird in Fronarbeit weiterentwickelt. Nicht ganz so uneigennützig zeigen sich Softwarehersteller, die kommerzielle Anwendungen für Linux ankünden.
In den letzten zwei Jahren hat sich Linux praktisch aus dem Nichts zur ernst genommenen Alternative mit schätzungsweise rund acht Millionen Anwendern hinauskatapultiert. Massgeblich beteiligt an diesem Erfolg ist die Philosophie, die dahinter steht. Linux ist ein freies Betriebssystem, dass jeder einsetzen und auch weiterentwickeln kann, ohne dafür einer Firma eine Entschädigung bezahlen zu müssen. Aus diesem Grund wird Linux oft auch als Gegenspieler zu Microsofts Windows-Palette angesehen.
Etabliert hat sich das freie Betriebssystem bisher aber hauptsächlich als kostengünstige Serverlösung etwa fürs Web oder für E-Mail. Für solche Aufgaben ist seit langem entsprechende Software verfügbar, und zwar ebenfalls kostenlos. Am Arbeitsplatz hat sich Linux bisher nicht durchgesetzt. Der Hauptgrund dafür ist beim Angebot an Anwendungssoftware zu suchen. Trotz einigen Erfolg versprechenden Produkten wie etwa das mittlerweile zu Sun gehörende Büropaket StarOffice oder die Bildbearbeitung Gimp fehlt es an einer breiten Palette professioneller, ausgereifter Programme.
Dass bisher kaum grosse Softwarehersteller auf den Linux-Zug aufgesprungen sind, hat seine Ursache in der aufwändigen und zur Zeit wohl kaum Gewinn bringenden Übertragung einer Software auf diese neue Plattform. Unsicher bleibt auch, wie weit Anwender einer kostenfreien Software-Welt kostenpflichtige Angebote akzeptieren werden.
So lässt sich derzeit kaum Geld verdienen mit Anwendungssoftware für Linux. Interessant scheint dagegen das fast ausschliesslich positive Image des freien Betriebssystems. So versuchen denn Firmen, auf dieser Sympathiewelle mitzureiten in der Hoffnung, dadurch sich selbst in ein gutes Licht zu stellen und wenn schon keinen finanziellen, dann wenigstens einen Imagegewinn zu erzielen. Als neueres Beispiel kann die Firma Inprise gelten. Zu DOS-Zeiten unter dem Namen Borland mit der Datenbank dBase ein gewichtiger Anbieter, ist die Firma mit dem Aufkommen von Windows etwas in Vergessenheit geraten. Heute ist Inprise bloss noch einer unter zahlreichen Anbietern von Entwicklungswerkzeugen für verschiedene Programmiersprachen. Seit Ende letzten Jahres bietet die Firma nun eine Gratisversion ihres Java-Entwicklerkits JBuilder für Linux kostenlos zum Herunterladen an. Dieser Schritt ist begrüssenswert und führte auch zu einem mehrheitlich positiven Echo der Anwender. Dass hinter diesem Schritt aber mehr steckt als ein Versuch, den Verkauf der anderen Produkte anzukurbeln, muss Inprise erst noch beweisen.
Eine vergleichbare Strategie hat der kanadische Softwarehersteller Corel verfolgt. Bereits seit längerer Zeit ist die Textverarbeitung WordPerfect für Linux in einer älteren Version kostenlos erhältlich. Das auch für Windows verfügbare Produkt war einst Marktführer, spielt heute aber neben Microsofts Office nur noch eine untergeordnete Rolle. Mit der Linux-Version hat sich Corel jedenfalls ins Gespräch gebracht als Anbieterin von Software für diese Plattform und damit den Weg geebnet für ihre eigene Linux-Distribution. In der ersten Hälfte dieses Jahres sollen zudem das WordPerfect-Officepaket sowie das Grafikpaket CorelDraw für Linux erscheinen. Diese Produkte werden allerdings, wie ihre Windows-Pendants, kostenpflichtig sein. Dahinter dürfte der Versuch stehen, dank einer neuen Plattform endlich aus dem Schatten Microsofts hervorzutreten und den Absatz der Produkte zu steigern.
Erste Schritte in einen neuen Markt
Als kleinere Überraschung gilt die Ankündigung von Adobe, künftig Linux zu unterstützen. Diese beschränkt sich allerdings auf die Publishingsoftware FrameMaker und ein neues Acrobat-Produkt namens Distiller Server. Die von Adobe entwickelte Acrobat-Technologie erlaubt die Erstellung von Dokumenten, die mit dem entsprechenden Reader-Programm im Originallayout betrachtet werden können, ohne das Ursprungsprogramm zu besitzen. Mit dem Ziel, Acrobat als Standard zu etablieren, will der Hersteller diese Technologie auf möglichst allen Plattformen verbreiten. Und FrameMaker existiert bereits in einer Unix-Version, und da Linux mit Unix eng verwandt ist, dürfte die Übertragung keinen gewaltigen Aufwand bedeuten.
Die Kernprodukte von Adobe, etwa die Bildbearbeitung Photoshop, bleiben auch weiterhin der Windows- und Mac-Welt vorbehalten. Ähnlich halten es auch andere Softwarehersteller, ein Boom an kommerzieller Linux-Software ist nicht abzusehen. So bleibt dieses Segment vorläufig den freien Entwicklern vorbehalten und denjenigen, die sich daraus eine grössere Popularität versprechen. Für die breite Masse der Anwender stellt Linux heute deshalb kaum eine echte Alternative zu Windows oder zum Macintosh dar, so begrüssenswert dies auch wäre.