Johnny Depp: «Nie ein Promi-Idiot werden!»

Johnny Depp

Schauspieler Johnny Depp will weder Star noch Promi sein. Er will nur anspruchsvolle Filmrollen gut spielen. «Der Rest ist mir scheissegal.»

–: Herr Depp, wir hoffen, Sie sind heute gut gelaunt.
JOHNNY DEPP: Ja, alles in bester Ordnung. Wieso meinen Sie?

–: Bekanntlich lassen Sie im Umgang mit Journalisten schon mal Ihre Fäuste sprechen …
DEPP: Das ist Unsinn!

–: Seien Sie ehrlich, Sie besitzen nicht gerade das Image des netten amerikanischen Jungen von nebenan.
DEPP: Ich bin ein Gefühlsmensch, einer, der den Ärger nicht in sich aufstauen lässt. Wer mich provoziert, der bekommt die Rechnung dafür umgehend präsentiert.

–: Deshalb gingen Sie kürzlich in einem Anfall brachialer Wut in einem New-Yorker Speiselokal auf mehrere Fotografen los?
DEPP: Ich sass mit meiner Frau Vanessa beim gemütlichen Tête-à-tête. Plötzlich war unser Tisch umlagert von einem Dutzend wild gewordener Paparazzi, die rumbrüllten und uns mit ihren Kameras in die Augen blitzten. Da kann es halt passieren, dass mir der Kragen platzt.

–: Sie sind nicht erst seit gestern berühmt. Sie sollten sich längst daran
gewöhnt haben, von Presseleuten verfolgt zu werden.
DEPP: Ich bin Schauspieler, kein Freiwild. Ich lege grossen Wert auf meine Privatsphäre. Wer mit mir sprechen oder mich fotografieren will, kann das selbstverständlich tun – aber nur, wenn ich damit einverstanden bin.

–: Das klingt reichlich naiv.
DEPP: Weshalb soll der Wunsch auf Privatsphäre naiv sein?

–: Sie gehören zu den populärsten Menschen der Welt. Es ist Ihr Schicksal, nirgendwo ungestört zu sein.
DEPP: Ich mache ja keinem zum Vorwurf, dass er mich auf der Strasse oder in einem Restaurant erkennt, kurz «Hallo!» sagt und dann weitergeht. Mich stört es, wenn man mich bedrängt.

–: Sie besitzen in Paris ein Nachtlokal und eine Eigentumswohnung. Sind die Franzosen Prominenten gegenüber zurückhaltender als die Amerikaner?
DEPP: Ja, das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Amerikas Neugier in Bezug auf Stars ist unerträglich, absolut despektierlich. Die Europäer sind viel kultivierter und diskreter. Ihnen geht es mehr um die gute Arbeit, die man leistet, und nicht um das Stargehabe.

–: Sind Sie denn nicht gerne ein Star?
DEPP: Gott bewahre, nein. Ich war noch nie darauf aus, ein Promi-Idiot zu werden, dem man nur nach dem Mund redet, aber längst nicht mehr zuhört.

–: Stars wollen geliebt werden.
DEPP: Genau damit habe ich meine Probleme. Stars werden letztlich nicht nach der Qualität ihrer Arbeit, sondern nach ihrer Medienwirksamkeit beurteilt. Sie sind Marionetten, Normprodukte der Unterhaltungsindustrie.

–: Das war nicht immer so. Sehnen Sie sich manchmal nach der goldenen Ära der Traumfabrik zurück?
DEPP: Ja, ich vermisse Leute wie Gary Cooper, Henry Fonda oder Spencer Tracy. Das waren Grössen, die nicht nur attraktiv, sondern auch moralische Vorbilder waren. Zu ihrer Zeit bedeutete Hollywood noch Kunst. Heute dreht sich alles um Kommerz, Marketing und Publicity.

–: Die Klatschpresse liebt Sie, gerade weil Ihr Privatleben immer wieder ein paar publizitätsträchtige Geschichten hergibt.
DEPP: Logisch, dass sich voyeuristische Zeitungsfritzen an meinen Beziehungskisten mit Kate Moss oder Vanessa Paradis aufgeilen.

–: Doch Sie lassen sich davon nicht beeinflussen?
DEPP: Nein, ich will nur anspruchsvolle Rollen gut spielen, so wie in meinem neuesten Film, der Schauer-Saga «Sleepy Hollow». Der Rest ist mir scheissegal. In Hollywood muss man eine altmodische Tugend bewahren: sich treu bleiben in allem, was man tut.

–: In den meisten Artikeln über Sie ist von Ihrem Aussehen, Ihren Liebesbeziehungen oder Tattoos die Rede, nicht aber von Ihren schauspielerischen Fähigkeiten. Stört Sie das?
DEPP: Nein, ich lese nämlich keine Artikel über mich selbst.

–: Auch keine Kritiken?
DEPP: Die erst recht nicht! Wenn ich
etwas mag, dann mag ich es. Dann lass ich mir auch nicht von irgendeinem Eierkopf auf einer Redaktionsstube sagen, dass ich angeblich falsch liege.

–: Aber es gibt doch gewiss Menschen, deren Kritik zu hören Ihnen wichtig ist …
DEPP: Ja, diese Leute sind aber meistens selber Schauspieler oder Regisseure. Ich habe aufgehört, mich nur einen Deut um das Urteil von verlogenen Journalisten und geldgeilen Produzenten zu scheren.

–: Sie lehnten Rollen in «Speed», «Interview mit einem Vampir» und «Legenden der Leidenschaft» ab, die dann Keanu Reeves und Brad Pitt zum Durchbruch verhalfen. Bereuen Sie das heute?
DEPP: Überhaupt nicht. Ich will Filme machen, die mich weiterbringen. Filme über Menschen und ihre Schicksale, über direkte, ehrliche Emotionen. Diese Popcorn-Movies sind doch immer nach demselben Muster gestrickt. Langweilig und unpersönlich, zu viel Scheisse pro Minute!

–: Etwa so wie die Teenie-Soap «21 Jump Street»?
DEPP: Ja, genau so, da mitzuspielen war vermutlich der grösste Mist, den ich in meinem Leben je gebaut habe.

–: Sehen Sie sich als Rebell?
DEPP: Ich mag keine Konventionen, und ich hasse es, geschäftlich wie privat Kompromisse einzugehen. Ich stelle lieber meine eigenen Regeln auf.

–: Nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich für oder wider eine Rolle?
DEPP: Das Wichtigste für einen Schauspieler ist, dass er das Gefühl von Glaubwürdigkeit und Integrität vermittelt. Wegen eines Films, der floppt, verliert man nicht sein Gesicht vor dem Publikum, aber man verliert es garantiert, wenn man nicht die Wahrheit sagt. Das Publikum muss dem Schauspieler vertrauen. Der Schauspieler im Film muss dem Publikum begreiflich machen, dass das, was er sagt, auch das ist, was er meint. Damit mir dies gelingt, kann ich nur Rollen spielen, die reflektieren, was mich auch als Privatmann beschäftigt.

–: Was haben der Undercover-Agent «Donnie Brasco», der talentlose Schundfilmregisseur «Ed Wood» und der Mutant «Edward mit den Scherenhänden» mit dem Privatmann Depp gemeinsam?
DEPP: Das sind alles sehr fragile Charaktere, die nicht mit Charme die Welt meistern, sondern keinen Platz in ihr finden und daran zerbrechen. Ich kann mich mit ihnen gut identifizieren.

–: Ursprünglich wollten Sie Rockmusiker werden. Wieso kam es nicht dazu? Waren Sie nicht talentiert genug?
DEPP: Meine Freunde fanden immer, ich hätte unglaublich viel Talent. Trotzdem wirkte ich bis 1984 in über 15 Bands erfolglos mit, bis ich dann rein zufällig im Horrorstreifen «Nightmare on Elm Street» eine Rolle angeboten bekam. Von da an ging es Schlag auf Schlag. Ohne mich umzusehen, war ich plötzlich Schauspieler, berühmt und stinkreich. Fürs Musikmachen fehlte dann die Zeit.

–: Auf dem neusten Album der britischen Band Oasis sollen Sie als Gitarrist mitgewirkt haben. Stimmt das?
DEPP: Ja, ich hatte Noel Gallagher mit seinen Jungs mal für einen Gig in meinem Klub in New York, dem «Viper Room». Bei den Zugaben bin ich dann mit auf die Bühne gestiegen, wir haben gemeinsam einige Songs gespielt. Noel war von meinen musikalischen Fähigkeiten total überrascht und beeindruckt. Im Anschluss an das Konzert haben wir vereinbart, uns bei den Aufnahmen zum neusten Oasis-Album wieder zu treffen.

–: Sie sind 36 und Vater eines Kindes. Haben Sie konkrete Wünsche für die Zukunft?
DEPP: Ich hoffe, dass Vanessa, mein Kind und ich gesund bleiben. Mehr, glaube ich, sollte man von der Zukunft nicht erwarten. Ich bin einer, der es nimmt, wie es kommt.

–: Um noch lange gesund zu bleiben, sollten Sie sich bemühen, weniger zu rauchen. Wie viel rauchen Sie pro Tag?
DEPP: Kommt darauf an, wie viel ich tagsüber zu tun habe, so drei, vier Schachteln werden es schon etwa sein. Aber ich habe mir fest vorgenommen, den Konsum zu reduzieren.

–: Denken Sie, Sie schaffen das?
DEPP (lacht): Wenn ich mich nicht immer über euch Journalisten nerven müsste, wahrscheinlich schon .

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