Hilfe aus der Schweiz

Schweiz

Ein Genfer Ermittler soll in der Schmiergeld-Affäre vor deutschem Untersuchungsausschuss aussagen.

Jetzt baut man im Deutschen Bundestag auf die Hilfe der Nachbarn. Die Hoffnungen der Parlamentarier ruhen vor allem auf den Schweizern. «Die Ermittlungen der Genfer Staatsanwaltschaft zur Übernahme der ostdeutschen Raffinerie Leuna und der Tankstellenkette Minol durch Elf Aquitaine sind sehr erfreulich», sagt der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher, Mitglied des Untersuchungsausschusses zur CDU-Spendenaffäre.

Die plötzliche Begeisterung für das eidgenössische Schaffen erstaunt nicht. Seit Jahren besteht der Verdacht, dass Leuna-Betreiberin Elf Aquitaine überhöhte Milliarden-Subventionen kassiert hat und dafür Schmiergelder nach Deutschland fliessen liess. Bis zum Abgang von Bundeskanzler Helmut Kohl 1998 waren alle Aufklärungsversuche zum Scheitern verurteilt.

Auch Hans-Christian Ströbele, Parlamentarier der Grünen und ebenfalls Mitglied des Ausschusses, hält die Arbeit der Schweizer für «unheimlich wichtig». Er habe den Eindruck, dass Gelder von Elf Aquitaine an die CDU geflossen seien. «Es kann fast kein Zufall mehr sein, dass zur selben Zeit Gelder bei Elf verschwinden und bei der CDU Millionen unklarer Herkunft auftauchen», meint Ströbele. Die Schlüsselfragen seien ohne die Schweizer Behörden nicht zu beantworten. «Der Untersuchungsausschuss hat deshalb vor, den zuständigen Schweizer Ermittler anzuhören», sagt Ströbele gegenüber FACTS.

Tatsächlich kann eine Aussage des Genfer Untersuchungsrichters Paul
Perraudin prominente CDU-Vertreter in Bedrängnis bringen. Auf Grund eines Rechtshilfegesuchs aus Paris und einer Strafanzeige von Elf muss er im Leuna/Minol-Geschäft den Verbleib von 67,3 Millionen Franken klären. Betrug, Urkundenfälschung und Geldwäscherei sind Gegenstand des Verfahrens. Jetzt hegt Perraudin einen Verdacht. «Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Fluss des untersuchten und zu untersuchenden Geldes letzten Endes einen Zusammenhang mit Abläufen hat, die der öffentlichen Bestechung unterliegen», schreibt er in einem Rechtshilfegesuch an die Augsburger Staatsanwaltschaft vom 3. Dezember 1999.

Begründet wird der Verdacht damit, dass Elf-Vermittler und Exgeheimdienstler Dieter Holzer – mit Wohnsitz in Monaco und Stansstad – zu prominenten «Helfershelfern Beziehungen gepflegt hat». Die Liste mit den entsprechenden Namen ist aufschlussreich. Genannt sind der frühere Kanzleramtsminister Friedrich Bohl, der ehemalige Verkehrsminister Günter Krause, der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Werner, Münch und der frühere CDU-Schatzmeister Walter Leisler Kiep. Ebenfalls aufgelistet wird der mittlerweile untergetauchte Ludwig-Holger Pfahls, Exstaatssekretär im Verteidigungsminis-terium und zentrale Figur im Schmiergeldskandal um den Verkauf von deutschen Fuchs-Panzern an Saudiarabien.

Die meisten der genannten Personen haben inzwischen öffentlich dementiert, von den Elf-Geldern profitiert zu haben. Der Verdacht bleibt. Kein Wunder, denn zumindest bei einem CDU-Mitglied liefert Perraudin exakte Angaben. Agnes Hürland-Büning, bis 1991 Staatssekretärin im deutschen Verteidigungsministerium, «wurde zum Zeitpunkt des vorgeworfenen Tatbestandes mit bedeutenden Guthaben, die aus der ehemali-gen Firma Elf Aquitaine International Genève rühren, begünstigt», heisst es im Rechtshilfegesuch, «namentlich 267 500 DM, Valuta 10. 3. 1993, auf ein bei der Commerzbank in 4270 Dorsten D eröffnetes Konto». Insider sprechen von weiteren Überweisungen in der Gesamthöhe von rund sieben Millionen Franken.

Aus welchen Gründen Hürland- Büning derart abkassieren konnte, liegt vorerst im Dunkeln. Zwar amtete die enge Vertraute von Exkanzler Kohl zeitweise als Beraterin des deutschen Thyssen-Konzerns, der anfänglich zusammen mit Elf Mitglied des Leuna-Baukonsortiums war. Doch das allein rechtfertigt die Zahlungen nicht. Perraudin möchte sie darum am liebsten in Genf als Zeugin einvernehmen. Zudem dürfte ihn interessieren, warum Thyssen kurz vor dem heissen Leuna-Deal in Freiburg zwei Briefkastenfirmen gründen liess.

Doch Perraudins Untersuchungen werden nicht nur in Deutschland aufmerksam verfolgt. Egal ob Thais-Stiftung, Nobleplac, Delta International oder Stand By Establishment, sie alle haben oder hatten Sitz in Vaduz. In verschiedenen Tranchen sind die 67,3 Millionen Franken über Konten dieser Firmen bei der Verwaltungs- und Privatbank geflossen oder dort parkiert worden. Das Verfahren zur Sperrung der Konten ist derzeit hängig. In Luxemburg soll ein weiteres Delta-Konto blockiert werden, Perraudins Rechtshilfegesuch blieb allerdings bis jetzt unbeantwortet.

Zu den Bevollmächtigten des Firmengeflechts gehören oder gehörten wahlweise Delta-Besitzer Dieter Holzer, sein in Beirut lebender Schwiegervater, Prof. Dr. Sahyoun, Andre Guelfi, Pierre Lethier und andere. Mit welchem Ziel die Geschäftsleute gearbeitet haben, ist jedoch unklar. «Es ist möglich, dass diese Personen bloss Vermittler sind, Strohleute der wirklichen Anspruchsberechtigten», schreibt Perraudin an die Augsburger Staatsanwaltschaft. Wer also die wirklichen Profiteure in der Affäre um Elf Aquitaine sind, bleibt im Dunkeln. Perraudin will das Geheimnis für sich behalten – vorerst.

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