Die Seele getötet

getötet

Zwei Schweizer standen in Basel vor Gericht. Sie haben eine Frau aus der Ukraine drei Tage in einer Wohnung angekettet, gefoltert und vergewaltigt.

Sie war eine junge, hoffnungsvolle Frau, bevor ihr die beiden Schweizer Männer begegneten. 27 Jahre alt, blond, 172 Zentimeter gross, 56 Kilogramm – Messergebnisse des Mediziners, der Tamara nach ihrer Rückkehr aus der Hölle hatte untersuchen müssen. Damals im August 1998 protokollierte er auch die äusserlich erkennbaren Verletzungen. Schürfungen an den Handgelenken, an den Fussgelenken, eine Brandwunde neben dem linken Schulterblatt, eine Wunde an der Nase. Das ist verheilt.

Aber seit Tamara aus der Hölle zurückgekehrt ist, kann sie nicht mehr schlafen, sie hat Angst vor der Dunkelheit, sie leidet an Verfolgungswahn, sie ist vereinsamt, sie hat Herzbeschwerden und kann keinen Sport mehr treiben, und eine Partnerschaft mit einem Mann kann sie sich nicht mehr vorstellen. «Sie ist ihrer Persönlichkeit beraubt worden», sagt Kathrin Bichsel, Tamaras Anwältin.

Vier Tage lang hat sich letzte Woche das fünfköpfige Basler Strafgericht mit den beiden Schweizern befasst. «Ich hoffe, nie mehr in einem derart schlimmen Fall die Anklage vertreten zu müssen», sagte Staatsanwältin Judie Melzl.

«Eine seelische Tötung» nannte es Gerichtspräsident Christoph Meier, der die beiden geständigen Schweizer zu 16 und 141/2 Jahren Zuchthaus verurteilte.

Der eine Angeklagte sagte vor Gericht, und es war als Argument zu seiner Verteidigung gedacht: «Ich finde heute Kraft im christlichen Glauben; ich bin vom Saulus zum Paulus geworden.» Und der, der Paulus die Rolle des Anführers überlässt, sagte: «Ich wollte eben nicht als Hasenfuss dastehen.»

Paulus und Hasenfuss, zwei Männer, 32 und 41 Jahre alt, Schweizer, Arbeiter, Ehemänner, Erzeuger von je zwei Kindern, Steuerzahler, Autobesitzer, Wohnungsmieter, Wahlberechtigte: Paulus und Hasenfuss haben sich 1992 im Zivilschutz kennen gelernt. Beide sind sie mit Frauen aus Südostasien verheiratet. Beide Angeklagten verdienten monatlich etwa gleich viel, nämlich rund 3500 Franken. Beide sind sie verschuldet, Paulus mit 200 000, Hasenfuss mit 20 000 Franken. Hasenfuss hat eine Vorstrafe wegen «Fensterlen», Paulus wegen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht.

Die beiden scheinen sich verstanden zu haben. Jetzt, da sie tagelang vor Gericht nebeneinander sitzen, sehen sie sich keine Sekunde lang an – sie machen sich gegenseitig für die gemeinsame Tat verantwortlich. Und in diesem Punkt gibt ihnen das Gericht Recht: Einer wäre ohne den andern nicht fähig zur Tat gewesen.

Die beiden Männer hatten sich gefunden in ihrer Erfolgsarmut. «Wir haben unsere Probleme diskutiert», sagt Hasenfuss. Das Wort diskutiert wirkt gespreizt aus dem Mund von Hasenfuss, denn er scheint Schwierigkeiten zu haben, selbst simple Sachverhalte zu verstehen; der Gerichtspräsident bemüht sich, einfache Sätze ohne Fremdwörter zu bilden, wenn er Hasenfuss befragt. Intelligenz am untern Rand der Norm, wird Hasenfuss attestiert. Paulus denkt systematischer, Gerichtspsychiater Andreas Frei stellt aber eine ausgeprägte narzisstische Störung fest.

Im Zivilschutzkurs vom Juni 1998 nehmen die Gespräche der beiden Männer eine unheimliche Wendung. «Wir haben diskutiert», sagt Hasenfuss, «dass man etwas mit einer Frau machen könnte.» Eine Frau packen, eine Frau nehmen, sagt Hasenfuss. Und im Kopf von Paulus steckt die Erinnerung an einen Pornofilm, der schliesslich zum Vorbild für die Tat wird. Noch in der Zivilschutz-Uniform kaufen sie Äther.

Die beiden Männer treffen sich jeweils nach zehn Uhr abends, nach der Schichtarbeit von Hasenfuss, und kreuzen im Auto von Paulus durch die Stadt. Sie halten Ausschau nach einer Frau, die sie «nehmen» könnten. Schlank und langhaarig müsse sie sein. Im Auto von Paulus liegen Handschellen bereit, Zurrgurte, ein Elektroschockgerät, der Äther, Klebebänder. «Wir fuhren herum», sagt Hasenfuss, «haben aber &Mac220;nichts&Mac221; gesehen.»

In der Nacht auf den 19. August 1998, die Stadt ist von der 38 Grad heissen Luft wie gelähmt, rollen die beiden auf einem ihrer perversen Jagdausflüge vorbei am Badischen Bahnhof. Hasenfuss entdeckt dort eine einsam stehende Frau. Doch die passt Paulus nicht. «Warum?», fragt ihn der Gerichtspräsident. «Ich habe bis zu jenem Zeitpunkt eine Umsetzung der Fantasien verhindern wollen», behauptet Paulus. Hasenfuss habe ihn aber bedrängt mit ihrer gemeinsamen «Idee».

Später in jener heissen Nacht verlassen die beiden die Stadt und fahren zielstrebig nach Duggingen, wo an der Landstrasse das Nachtlokal «Romantica» liegt. Es ist vier Uhr morgens, der Betrieb ist geschlossen. In einem Zimmer im ersten Stock brennt noch Licht. Hier schlafen die Frauen, die abends als Tänzerinnen arbeiten, Frauen fernab ihrer Familien und sozialer Bindungen.

Die beiden Männer stellen den Wagen ab, klettern an den Säulen des Portals hinauf zur Terrasse und stehen schliesslich vor dem erleuchteten Zimmer. Durchs angelehnte Fenster hören sie leise Musik. Und da liegt eine Frau, bekleidet nur mit einem Slip, die sich der Hitze wegen auf einem Duvet am Boden schlafen gelegt hat.

Hasenfuss sagt später vor Gericht, er sei der Meinung gewesen, sie würden die Frau hier «nehmen» und dann verschwinden. Aber Paulus hat seinen Pornofilm im Kopf. Und Hasenfuss tut bereitwillig, was Paulus ihm sagt. Sie ziehen sich Gesichtsmasken über, steigen ins Zimmer ein. Hasenfuss drückt der erwachenden Frau den mit Äther getränkten Lappen ins Gesicht.

Tamara, die ukrainische Tänzerin, die vor Gericht nur wenige Minuten lang aussagen kann und dann weinend zusammenbricht, gibt dem Polizeikommissär Roger Eggel zu Protokoll, sie hätte Erstickungspanik gehabt. Tamara schreit auf, zu Tode erschrocken, sie versucht sich zu wehren. Aber gegen die kräftigen Männer ist sie chancenlos. Und dann nimmt Paulus sein Elektroschockgerät.

«Haben Sie die Wirkung des Schockgeräts gekannt?» Ja, antwortet Paulus dem Gericht, er habe versehentlich selber einmal einen Stromstoss erhalten. «Der war stärker als aus einer Steckdose.» Die Spannung ist mit 20 000 Volt hundertmal höher. Paulus setzt das Gerät bei Tamara an die Körperstelle zwischen linkem Schulterblatt und Nacken, in Herznähe, mehrere Sekunden lang. Paulus hält so lange drauf, bis die Haut verschmort und Lähmungserscheinungen eintreten.

Die beiden Männer verkleben Tamara die Augen, den Mund, sie schliessen Handschellen um die Handgelenke und die Fesseln. Dann lädt sich Hasenfuss die Frau auf seine Schultern, so wie einst die Hälften der toten Tiere, die er in seiner Metzgerlehre tragen musste. Tamara ist bei Bewusstsein, aber sie kann nicht mehr schreien, und sie will nicht mehr schreien; sie hat Angst zu sterben.
Die Männer gehen kaltblütig durchs Treppenhaus nach unten, Paulus, der geschickte Automechaniker, öffnet die verschlossene Gittertüre, und dann sind sie im Freien, legen die Frau in den Kofferraum und fahren unbeobachtet weg, zurück in die Stadt.

Die Fahrt dauert zwanzig Minuten. In dieser Zeit hätte Tamara ersticken können. Professor Volker Dittmann vom Institut für Rechtsmedizin sagte vor Gericht aus, dass allein schon eine Knebelung im Stresszustand zum Tode führen könne. Tamara stand zudem unter der Wirkung von Äther und der Elektroschocks, und die Hände waren hinter dem Rücken gefesselt.

Paulus hatte drei Monate vor der Tat eine Zweitwohnung in Kleinbasel gemietet. Im Hinterhof der Liegenschaft Maulbeerstrasse 8 holen die Männer die Frau aus dem Kofferraum, Hasenfuss trägt sie zum Lift. Die Wohnung liegt zuoberst im fünften Stock. Tamara kann später zutreffend beschreiben, dass sie nach der Liftfahrt nach rechts abgebogen seien. Sie ist also klar bei Bewusstsein.

In der Wohnung bringen die Männer die Frau aufs Bett, fesseln sie mit Handschellen und Zurrgurten an den Bettrost, so dass sie mit gespreizten Armen und Beinen da liegt, Mund und Augen mit Bändern verklebt.

Dann vergewaltigen die beiden Männer die Frau. Hasenfuss zuerst. «Du hast ja heute Geburtstag», sagt Paulus, der zwei Meter neben dem Bett Platz nimmt und zusieht. «Es ist das perverseste Geburtstagsgeschenk, von dem ich je gehört habe», sagt Staatsanwältin Judie Melzl vor dem Gericht. Und Hasenfuss sagt über Paulus: «Ich ging dann in die Küche, weil ich es nicht mehr mitansehen konnte – er benahm sich wie eine Wildsau.»

Tamara wird danach mit dem Schlafmittel Rohypnol betäubt, das Klebeband um Augen und Mund erneuert. Dann lassen die Männer die Frau allein zurück in der Wohnung. Eine drei Tage und Nächte dauernde Zeit der Qual und der Todesangst hat begonnen.

Als Paulus vier Stunden später zurückkehrt, hat er Ketten dabei. Damit perfektioniert er die Fesselung; er kann jetzt den Hals, die Hände, den Bauch und die Füsse mit Schlössern und Handschellen festmachen. Das Vorbild aus dem Pornofilm ist jetzt Wirklichkeit.

Wie oft die Frau vergewaltigt wird, bleibt auch vor Gericht unklar. Die beiden Männer gestehen insgesamt fünf Vergewaltigungen. Tamara bekommt wegen der Betäubungsmittel nicht alles mit; sie hat die Männer, die sie am Geruch unterscheiden kann, viermal über sich gespürt. Der eine habe wie ein Müllsack gestunken. Die Kriminalpolizei stellt acht gebrauchte Präservative sicher, fünf davon hat Paulus getragen. Der sagt, er habe wegen Erektionsproblemen mehrere für einen Geschlechtsverkehr gebraucht.

Die Männer lassen die Frau allein, wenn sie arbeiten gehen. Zuvor wird dem Opfer eine Überdosis Rohypnol eingeflösst. Während der drei Tage duschen sie die an Händen gefesselte Frau zweimal ab, lassen sie auf die Toilette, geben ihr zu trinken. Sie füttern sie mit Konfitürenbrot und einmal mit einem Fertiggericht, Kalbsgeschnetzeltem. Sie halten sich die Frau wie ein Stück Vieh.

Bevor die dritte Nacht anbricht, gelingt es Tamara, die für einmal nur noch an den Füssen angekettet worden war, trotz der Rohypnol-Betäubung die passenden Schlüssel aus der Kommode neben dem Bett zu holen. Um 17.28 Uhr, am 21. August 1998, 62 Stunden nach Tamaras Entführung, geht bei der Basler Polizei die Meldung ein, auf der Dachterrasse der Liegenschaft Maulbeerstrasse 8 stehe eine leicht bekleidete Frau, in Ketten. Sie rufe um Hilfe.

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