Der schwarze Humor wird digital

schwarze Humor

Mit elektronisch veränderten Fotos und böser Ironie kommentieren Computerfreaks die Welt am Rand des Wahnsinns.

Jetzt mach ich Dir mal einen Darth Laden», sagt Jerome. Der Mauszeiger huscht über das Foto des «Star Wars»-Bösewichts Darth Vader auf dem Bildschirm. Sekunden später lugt unter der schwarzen Maske des Lord Vader ein verräterischer, graumelierter Spitzbart hervor. Ein paar Mausklicks später lächelt die wulstige Lippe Bin Ladens unter dem schwarzen Helm: «Darth Laden», der übelste Vertreter der dunklen Seite der Macht, lächelt böse aus dem Monitor.

«Das ist natürlich Kinderkram», sagt Jerome und zeigt auf die Bin-Laden-Montage. «Mit dem Helm sieht Osama aus wie ein Wehrmachtsoldat im Zweiten Weltkrieg.» Jerome ist spezialisiert auf Fotomontagen und Bildtricks – er gehört zu den Photoshop-Kiddies, einer neuen Untergruppe von Hackern. «Wir sind nur wenige, aber unsere Arbeiten kursierten ständig im Web und oft auch in Zeitungen und Zeitschriften» sagt Jerome, der seinen wahren Namen nicht preisgeben will. Das ist üblich in diesem Gewerbe.
PC-Bildbearbeitungsprogramme wie das weit verbreitete Adobe Photoshop erlauben auch Laien das einfache Verfälschen von Bildern. Daher der Name Photoshop-Kiddies, also Photoshop-Kinder. Ereignisse wie die Terroranschläge in den USA oder das Swissair-Debakel verschaffen ihnen Hochkonjunktur.

In den Zwanzigerjahren beschäftigte der sowjetische Diktator Josef Stalin ein gutes Dutzend professionelle Fotografen, die ihm seinen Rivalen Leo Trotzkij aus jedem Foto wegretouschieren mussten. Die Geschichtsfälscher arbeiteten in der Sowjetunion mit Skalpell und Folie an Bildtricks, die heute Kids und Teenies gleich nach – oder statt – den Schulaufgaben erledigen. Photoshop-Kiddies digitalisieren Bilder und fälschen sie am Bildschirm so verblüffend echt, dass selbst Spezialisten die Mon-tage nicht erkennen. Bildspezialist Jerome: «Zwischen George Bush und Osama Bin Laden liegen nur ein paar Pixel.»

An den Wänden seines Kinderzimmers hängen Familienfotos von ihm und der Popsängerin Madonna als seine Mutter, Che Guevara als sein Vater und Papst Johannes Paul II. als sein Gross-vater. Die Farbaufnahmen sind täuschend real. Anstelle eines ordentlich eingepackten Computers hat Jerome auf dem Schreibtisch eine gelötete Elektronikplatine, aus der ein Wust farbiger Kabel quillt. Sein Bildschirm ist grösser als der Hamsterkäfig in der Ecke.

Bin Laden wird als Bösewicht in Computerspiele eingebaut

Was er und seine Kollegen so treiben, sehen Millionen von Menschen in der ganzen Welt per Internet. Berühmt wurde ein Foto, das angeblich aus einer Kamera stammte, die Feuerwehrmänner in den Trümmern des World Trade Centers in New York fanden. Es zeigt einen Touristen, der auf der Aussichtsplattform des Wolkenkratzers in die Linse blickt. Am unteren Bildrand ist die Zeit 09 Uhr 11 eingeblendet, im Hintergrund sieht man ein heranrasendes Flugzeug.

Was nach einem Schreckensdokument aussieht, entpuppte sich schnell als Montage eines Photoshop-Kiddies. «Eine schlechte Arbeit», lästert Jerome. «Der Flugzeugtyp stimmt nicht mit dem echten überein, und die Grössenverhältnisse sind falsch.» Der «WTC-Guy», wie der Tourist auf dem Bild in der Szene seither genannt wird, sei heute der berühmteste Photoshop-Artist im Internet, sagt Jerome. «Wir haben den Kerl in Dutzende von Bildern montiert.» Inzwischen gibt es den WTC-Guy auf einem Rettungsboot vor der sinkenden «Titanic» und auf einem Flugzeugträger während des Angriffs auf Afghanistan.

Zurzeit beschäftigen sich viele Photoshop-Kiddies damit, Bin Laden als Bösewicht in professionelle Computerspiele einzubauen. Auf der Gaming-Website CyberExtruder.com sind die ersten, hoch auflösenden Kampfspiele mit Bin Laden als Widerpart erhältlich. Auch für das Ballerspiel Qauke 3 ist der Top-Terrorist schon digitalisiert.

Was die Szene aber seit Wochen am meisten beschäftigt, ist ein Foto von Bert dem Bösen aus der TV-Serie Sesamstrasse. Zu sehen ist Berts Kopf neben dem Konterfei von Bin Laden auf einem Plakat, das ein protestierender Muslim in Bangladesh in die Kamera eines Fotografen hielt. Jetzt rätselt die Szene, ob der winzige Kopf von Bert nachträglich hineinmontiert wurde: Die Fälscher erkennen ihre eigenen Werke nicht mehr.

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