Der Ausreisser
In einem Dürregebiet der Dritten Welt, fernab von der Hektik der Metropolen, hat der Sandoz-Erbe und Novartis-Grosseigentümer Pierre Landolt (52) dem Chemikalieneinsatz abgeschworen und frönt einem erstaunlichen Hobby: dem Biolandbau.
Ein Picknick im Grünen ist das Leben im Sertão, der Halbwüste im Nordosten Brasiliens, nun wirklich nicht. Am siebten südlichen Breitengrad, wo die Pflanzen unter der Sonne verdorren und die Rinde wie angesengte Wursthaut von den Bäumen platzt, wird das Postkartenidyll vom Tropenparadies augenblicklich
Entzaubert. Bei mittleren Tagestemperaturen von 35 Grad im Schatten und regenfreien Perioden, die sich nicht selten über mehrere Jahre hinziehen, gleicht jegliche Existenz im Sertão einer verzweifelten Gratwanderung zwischen Bangen und Hoffen. Ausgerechnet hier, im Armenhaus von Nordostbrasilien, einem Gebiet, wo Analphabetismus, Landflucht und Kriminalität dominieren, hat sich einer der bestbetuchten Schweizer niedergelassen. Seit über zwanzig Jahren verbringt der milliardenschwere Romand Pierre Landolt, 52-jähriger Kopf der Sandoz-Erben-Dynastie und VR-Repräsentant beim Basler Pharmariesen Novartis, zwei Drittel seiner Lebenszeit auf einer Farm in der Nähe von Patos, einem Kaff im brasilianischen Gliedstaat Paraiba. Was treibt einen Mann mit den Ressourcen Landolts dazu, sich in diesen toten Winkel abzusetzen?
Freiwillig setzt sich wohl niemand einer solchen Einöde aus, ausser er sei auf der Flucht oder müsse sich etwas beweisen. «Es macht Spass, gegen den Strom zu schwimmen», erklärt der Brasilienaussteiger. Fasziniert von der Natur, voller Schalk und ungezügelter Experimentierfreude hat Landolt den Habitus eines grossen und fröhlichen Jungen. Vergnügt vor sich hin summend, chauffiert er die Besucher in einem geländegängigen Chevi über die Naturpisten von Tamandua, seiner 30 Quadratkilometer umfassenden Fazenda, die er 1977 mit etwas Anschubhilfe aus dem Topf der Sandoz-Familienstiftung erstanden hat.
In seinem auf eine Felskuppe gebauten Heim – bestehend aus drei naturnah gestalteten Steinhäusern – hält Pierre Landolt beim Mittagsmahl inne, schaut von seinem Teller auf und schenkt dem Schrei eines Käuzchens einen Moment lang seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Bestürzt, ja beinahe fassungslos reagiert er, als kurze Zeit später ein Singvogel gegen eines der Glasfenster prallt und zu Tode stürzt.
Tieren und Pflanzen gegenüber empfindet dieser Mann «eine grosse Liebe und immensen Respekt», wie er selbst sagt. Genealogisch lässt sich die tiefe Naturverbundenheit auf Landolts Grossvater, den Westschweizer Maler und Bildhauer Edouard Marcel Sandoz, zurückführen. Im Garten seines Hauses in Ouchy bei Lausanne pinselte der Künstler im Sommer mit Hingabe Blumen, während sich Klein Pierre in den Rabatten vergnügte. Heute lebt der Enkel und Novartis-Grosseigentümer in einer subtropischen Oase und füttert Kapuzineräffchen mit Bananen – von der Terrasse seines Schlafzimmers aus.
Nicht ohne Stolz verweist Landolt auf den Pioniergeist seiner Vorfahren. Allen voran der Urgrossvater mütterlicherseits, der Kaufmann Edouard Constant Sandoz: 1886 hatte dieser in Basel eine Firma zur Herstellung von synthetischen Farben mitbegründet und damit die Basis für das spätere Milliardenimperium des Sandoz-Clans gelegt (siehe «Stammbaum des Sandoz-Landolt-Clans»). Auch Pierres Vater Jacques Landolt, ein aus dem Aargau stammender Augenarzt, der kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Paris die Enkelin des Firmengründers geheiratet und damit die Landolts in die Erblinie gebracht hatte, besass eine Affinität zum kalkulierbaren Risiko. Mit ihm zusammen startete Pierre 1969 zu seiner ersten, abenteuerlichen Nordatlantiküberfahrt – auf einer Zwölf-Meter-Segeljacht, die zum Zweck der Navigation nur mit einem Sextanten und einem Chronometer bestückt war.
Patos muss einer veritablen Westernstadt geglichen haben, als Landolt acht Jahre später hier eintraf, zusammen mit seiner Frau Catherine, einer diplomierten Designerin, und Didier Jean, einem Freund aus Paris. In der Rolle des technischen Leiters lebt und wirkt Jean seither ebenfalls auf der Fazenda. «Pierre und ich bilden ein Tandem. Er tritt in die Pedale, und ich bremse», entwirft der 59-jährige Mathematiker und Architekt sein Bild von der Balance ihrer Charaktere. Eine erstaunliche Aussage, wenn man weiss, dass es Jean, der angeblich Langsamere von beiden, war, der die Baupläne für Landolts Natursteinrefugium entwarf, Jean, der vor Ort die künstliche Besamung der Kühe und die Käseproduktion überwacht, und derselbe technisch versierte Freund, der in den letzten Jahren auf Tamandua eine autarke Produktionstätte für Bewässerungssysteme hochgezogen hat.
Landolt sei zuweilen etwas ungestüm und wolle Resultate in der Regel sofort sehen, beschreibt Didier Jean dessen inneren Drive. Im Übrigen sei ihnen beiden von Anfang an klar gewesen, dass Geld allein in einer klimatischen Problemzone wie dieser nichts bringt. «Man benötigt hier andere Qualitäten, um die Probleme zu lösen», weiss der langjährige Projektpartner. Die meiste Zeit seiner Jugend verlebte Pierre Landolt in Paris, am Boulevard Montparnasse, wo seine Mutter, Nicole Sandoz, noch heute residiert. «Wenn ich in Frankreich bin, bin ich Franzose, in der Schweiz Schweizer und in Brasilien Brasilianer», lacht Pierre, der als Weltenbürger drei Nationalitäten auf sich vereint. Nach einem Jura-Studium an der Faculté de Droit in Paris und dem Militärdienst in Frankreich hatte er von bürgerlichen Pflichten die Nase voll.
Getragen vom Nachhall der Pariser Studentenrevolte, beschloss der wohlgeborene Jurist, seinem Familiendispositiv zu entfliehen. Und solches fiel ihm mit einer geografischen Distanznahme zur Sippe verständlicherweise leichter. Also kontaktierte er zunächst einen Bekannten in der seinerzeitigen Chemiesparte von Sandoz und lauschte gespannt, was ihm dieser zu offerieren hatte: Lateinamerika. Wie der Zufall so spielt. Von 1974 bis 1976 war Landolt für die Sandoz Brasil unterwegs, bereiste das Land, lernte Sprache und Mentalität kennen und schätzen und wurde schliesslich fündig – irgendwo in der semiariden Pampa, 400 Kilometer nordwestlich von Recife.
Pannen und Rückschläge gehörten quasi mit zum Konzept. So versuchten es Landolt und Jean anfänglich mit dem Kultivieren von Baumwolle. Eine Trockenphase, die von 1979 bis 1983 währte, setzte dem Experiment jedoch ein frustrierendes Ende. In jüngerer Zeit verlegte man sich dann auf die Aufzucht von Orangen- und Zitrusbäumen, bis der Regen im vorletzten Jahr erneut ausblieb und die Kultur auf einer Fläche von sechs Hektaren verdorrte. Mehr Glück hatten die beiden Tropenlandwirte mit der Viehzucht. Gleich zu Beginn importierten sie 25 Stück Braunvieh aus dem Kanton Schwyz. Und der polyvalente Freund, der sich kurz vor seiner Abreise aus Frankreich noch eigens in der Kunst künstlicher Besamung hatte unterweisen lassen, kümmert sich seither um die Vermehrung der Herde. Mit durchschlagendem Erfolg: Auf mehr als 500 Stück ist der Braunviehbestand in der Zwischenzeit angewachsen. Insbesondere der Verkauf junger Zuchtbullen (rund 250 Stück pro Jahr), die bei den Farmern der Gegend äusserst beliebt sind, hat sich dabei zu einem einträglichen Geschäft entwickelt.
Obschon die Milchleistung der Kühe bei weitem nicht an europäische Spitzenwerte herankommt, fällt mit 800 Litern am Tag auf der Fazenda doch ein beachtliches Volumen an. Die Hälfte davon wird als Frischmilch ins nahe gelegene Patos verkauft; und der Rest, rund 400 Liter täglich, wird in einer modern eingerichteten Käserei vor Ort zu Reblochon und St. Paulin verarbeitet. Vor wenigen Wochen erst hat Landolts organischer Käse von der staatlichen Behörde IBD (Instituto Biodynamico de São Paulo) das nationale Biolabel zugesprochen erhalten. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass sämtliches Viehfutter hundertprozentig biologisch, das heisst unter Verzicht von chemischen Zusätzen in Form von Kunstdünger oder Insektiziden, erzeugt wird. Ergo werden Landolts Kühe heute nur noch mit naturbelassenem Futter gefüttert.
Ohne Giftkeule schreitet seit einiger Zeit auch das Wachsen und Reifen der Mangos voran. Auf einer Gesamtfläche von 30 Hektaren werden die Früchte angebaut und integral ab Baum oder in Streifen geschnitten, getrocknet und vakuumverpackt in den Süden des Landes verkauft. Mit dem Ziel, einen möglichst hohen Prozentsatz der Mango-Ernte von über 300 Tonnen pro Jahr nutzbringend zu verwerten, hat Landolt kürzlich in Frankreich eine neue, leistungsfähigere Dehydrieranlage bestellt, welche die Kapazität der bestehenden Trocknungseinrichtung verdreifachen soll. Zu stabileren Preisen und einer insgesamt höheren Ausnützung verhilft auch hier das Umweltzertifikat der nationalen Behörde: «Mit dem Biolabel», freut sich der bekehrte Agrarunternehmer, «lassen sich auch die etwas kleineren und weniger ansehnlichen Früchte viel besser vermarkten.»
An Stelle von Spritzmitteln und chemischen Bodenzusätzen schwört heute ein Mann, der im Verwaltungsrat des Basler Agromultis Syngenta Einsitz zu nehmen gedenkt, auf den Einsatz von Biokompost, eine Mischung aus Kuhdung, Algen und getrocknetem Meeresplankton. «Nach einer Reflexion über die langfristigen Auswirkungen meines Tuns bin ich zum Biolandbau übergegangen», beschreibt er seinen bemerkenswerten Kurswechsel vor drei Jahren. «Weil ich als guter, verantwortungsvoller Familienvater dieses Produktionskapital einmal an meine Kinder und Enkel weitergeben will, musste ich anhalten und nachdenken.» Würden die zur Verfügung stehenden Anbauflächen nach dreissig oder vierzig Jahren konventioneller Bewirtschaftung noch dieselben Erträge erbringen? Die Antwort, zu der Landolt in Brasilien gelangte, war ein unzweideutiges Nein. Nur ein konsequent betriebener Biolandbau, so sein Schluss, würde dem Postulat der Nachhaltigkeit gerecht. Seither befindet sich die gesamte Fazenda in Umstellung.
«Der Boden ist das Kapital des Landwirts», doziert Landolt. «Die Biodiversität von Pflanzen, Tieren und Insekten ist im Nordosten ausserordentlich fragil. Je länger ich hier lebe, desto stärker treten mir die damit verbundenen Risiken ins Bewusstsein.» Ist der Grossaktionär bei der Basler Chemie gar ein verkappter Grüner? Ein zivilisationsmüder Aussteiger oder ein Träumer ist er jedenfalls nicht. Mit seinen 52 Jahren vermittelt Pierre Landolt vielmehr das Bild eines flexiblen Pragmatikers – innovationsfreudig, aufgeschlossen und integral interessiert. Mit seiner überraschenden Abkehr vom Chemikalieneinsatz hat er auf seiner Fazenda bewiesen, dass sich in semiarider Umgebung gerade ökologischer Landbau als sinnvoll und durchaus profitabel erweist. Nichts mehr, aber auch nichts weniger als das.
Als vernetzt denkendes Oberhaupt der Sandoz-Familienstiftung, die mit ihren Investments unterdessen die halbe Welt überspannt, will er von einem möglichen Widerspruch zwischen seinem Engagement als Biobauer und künftigen VR-Pflichten beim Agro- und Saatgutkonzern Syngenta denn auch nichts wissen. Von den Möglichkeiten der Gentechnik prinzipiell fasziniert, hätte er auf Tamandua am liebsten auch schon entsprechend modifizierte Sorten zur Aussaat gebracht, gesteht der vielseitige Agronom, unter Verzicht auf ideologische Scheuklappen. Doch leider sei es für den Anbau von GVO-Varietäten wie etwa Soja oder Mais im Nordosten des Landes zu trocken (siehe Interview).
Gegen den Wassermangel in diesem Gebiet versucht sich Landolt mit der Anlage von riesigen Staubecken, künstlich errichteten Seen und Reservoirs, abzusichern. Trotz der hohen Verdunstungsrate hält der darin gespeicherte Wasservorrat im Notfall bis zu zwei Jahren. Zur Überbrückung der unberechenbaren Trockenphasen wird das kostbare Nass aus diesen Tanks auf die Felder und in die Plantagen geleitet. Weil die verfügbaren Leitungssysteme immerfort leckten, begann man Ende der Achtzigerjahre auch auf diesem Gebiet in die Autarkie zu investieren. Inzwischen hat die Fertigungstätte auf der Farm vierzig Angestellte und setzt mit externen Aufträgen jährlich bereits gegen zwei Millionen US-Dollar um.
Hergestellt wird ein umfassendes Sortiment von vollverzinkten Metallteilen für die Bewässerung wie zum Beispiel Rohrkupplungen, Verzweigungsstücken und Sprinkleraufsätzen, wobei sämtliche Produktionsschritte inklusive Galvanisation in einem offenen Zinkbad von 450 Grad Celsius «inhouse» durchlaufen werden. Gleich nebenan werden auf einer hochmodernen Plastikpresse neuerdings auch die drei Meter langen, blauen PVC-Rohre in Eigenregie gefertigt.
Über das Farmgelände verstreut, leben 28 Familien mit insgesamt über 100 Angehörigen. Neben ihren bescheidenen Behausungen bepflanzen die meisten von ihnen ein Terrain, das ihnen Landolt zur Selbstversorgung zur freien Nutzung überlässt. Zwei Drittel der Ansässigen beschäftigt er darüber hinaus in der Viehzucht oder auf seinen Mangoplantagen und entrichtet ihnen dafür ein Salär von umgerechnet 160 Franken pro Monat, während der offizielle Mindestlohn für Landarbeiter in Brasilien derzeit bei 120 Franken liegt. Etwas besser verdienen diejenigen Arbeiter, die mit der Produktion der Bewässerungssysteme befasst sind und mehrheitlich aus dem nahen Patos stammen.
Auf unserer besichtigungstour hält Landolt verschiedentlich an, um Einheimische, die in der Hitze zu Fuss unterwegs sind, spontan ein Stück weit mitzunehmen. Bei solchen Begegnungen fällt auf, wie vertraulich er sich mit den einfachen Leuten unterhält und wie diese ohne jede Unterwürfigkeit oder Scheu auf das Angebot ihres «Landlords» eingehen. Wenig erstaunlich, dass der Romand – selbst Vater eines halbwüchsigen Sohns und zweier Töchter – sogar die Rufnamen sämtlicher Jugendlichen auf seiner Fazenda auswendig zu kennen scheint: «Bis vor fünf Jahren war ich hier der Einzige mit fahrbarem Untersatz und musste deshalb alle Schwangeren, wenn es so weit war, persönlich ins Spital fahren», schmunzelt er. «Dafür bin ich jetzt der Götti von praktisch jedem Kind.»
Bei allen Annehmlichkeiten, die ein Milliardenvermögen bietet, ist Landolt als Mensch bemerkenswert bescheiden geblieben. Ohne sich mit technischem Firlefanz oder aufwändigem Luxus zu umgeben, lebt er auf Tamandua in Einklang mit den ansässigen Menschen und mit der rauen
Natur. Auf ein Privatflugzeug oder einen Helikopter hat er hier draussen bewusst verzichtet. Wenn der Drittweltpionier hin und wieder geschäftlich nach São Paulo muss, dann kann er die Industriekapitale von der 200 Kilometer entfernten Provinzstadt Campina Grande aus anfliegen. Neben dem Brokerhaus «Fair Corretora de Cambio e Valores Mobiliarios», das diverse Finanzdienstleistungen für brasilianische und ausländische Multis erbringt, betreibt Landolt im Süden des Landes auch die Handelsfirma Pabco, die sich als Grossist in der Vermarktung von organischem Soja zu etablieren versucht.
Und schliesslich kontrolliert der Welsche mit brasilianischem Pass auch noch eine komfortable Mehrheit an der Banco Axial, Landolts drittem Privatvehikel in São Paulo, dessen junge und motivierte Belegschaft sich mit Fragen einer nachhaltigen Entwicklung und mit lohnenden Investitionen in allerlei Entwicklungsprojekte befasst. Als exemplarisch für die Philosophie des Instituts gilt der lateinamerikanische Biodiversitäts-Fonds «Terra Capital», ein ursprünglich von der Weltbank lanciertes, internationales Geldsammelbecken, in das mittlerweile auch die Eidgenossenschaft drei Millionen Dollar eingeschossen hat.
Dieselben Werte, die sich auf seiner Farm in Brasilien bewähren, will Landolt als Sachwalter der Sandoz-Familienstiftung ebenfalls hochhalten: Innovationsgeist, ökologisches Bewusstsein, langfristige Perspektive und soziales Engagement. Am schnellen Geld ist ein Mann mit derart hoch gesteckten Zielen höchstens in Form einer willkommenen Zusatzprämie interessiert. Von einseitigen Verfechtern des Shareholder-Value-Prinzips hält er nämlich nichts, genauso wenig wie von den Schönrednern an internationalen Konferenzen wie damals in Rio, in Seattle oder neulich in Davos. Er selbst erweist sich da schon mehr als ein auf der Scholle verwurzelter Tatmensch, ein selbst ernannter Tropenaktivist zwar, aber immerhin einer, der sich auf Grund seiner Familienherkunft den Luxus leisten kann, erst in zweiter Linie an die Rentabilität eines Investments zu denken.
Sein halbes leben hat Landolt in den Aufbau eines selbsttragenden Landwirtschaftsbetriebs im Nordosten von Brasilien investiert. Mit seinem Eintritt in den Sandoz-VR vollzog er 1986 den ersten Schritt auf seinem Weg zurück in die ökonomische Realität der Schweiz. 1994 übernahm er zusätzlich das Präsidium der Sandoz-Familienstiftung, die heute auf einem breit gestreuten Beteiligungsportefeuille im Gesamtwert von weit über zehn Milliarden Franken sitzt (siehe «Familiensilber: Vom Hotel bis zum Webportal»). Und nun? Verkörpert dieser Mann auf Grund seines ungewöhnlichen Werdegangs das neue «animal économique» mit den anderen ethischen Werten? Vielleicht. Ein Garant für unverstellte Ideen ist der Umgang mit vererbtem Reichtum jedenfalls nicht.
Das Erfolgsgeheimnis, um das andere begüterte Clans den Hüter der Sandoz-Schatzkiste beneiden, besteht in jener konsequenten Depersonalisierung des Vermögens, die der Künstler-Grossvater Edouard Marcel Sandoz anno 1964 durchgesetzt hat. «Das Geld der Stiftung gehört allen und doch keinem», strahlt Chefstratege Pierre, zweitjüngster von vier Enkeln. Um seinem Gestaltungswillen zu folgen und den familiären Pflichten genüge zu tun, wird der «Ausreisser» wohl nicht darum herumkommen, inskünftig wieder vermehrt in der Alten Welt aufzukreuzen. «Ich möchte ein aktiver und kein passiver Investor sein», bricht es aus ihm hervor. Mit unverstelltem Blick und einer langfristigen Perspektive will er dort, wo die Stiftung ihr Geld investiert, am Ende nur dasselbe tun wie im Niemandsland bei Patos: etwas bewegen.