Aufräumen in der «.ch»-Domain

ch domain

Ab Oktober soll in der Schweiz eine Verordnung die Vergabe von Domain-Namen ausdrücklich regeln. Das verspricht nicht nur mehr Wettbewerb der Anbieter. Die Verordnung ist auch für Domain-Namen-Inhaber von Bedeutung: Wer seine Domain bezahlt, aber nicht benutzt, soll sie gemäss dem Entwurf verlieren können.

Von David Rosenthal und David Mamane*

Die Vergabe von Domain-Namen war in der Schweiz – wie die Vergabe von Telefonnummern – schon bisher durch die Verordnung über die Adressierungselemente gesetzlich geregelt. Doch davon nahm kaum jemand Notiz. Das dürfte sich mit einer vom Bundesamt für Kommunikation (Bakom) vorgeschlagenen Anpassung der Verordnung ändern. Vorerst liegt nur ein Entwurf vor,und der Bundesrat muss im September noch zustimmen. Die neuen Vorschriften könnten dann aber bereits ab Oktober gelten.

Rechtsstreitigkeiten absehbar

Am bisher geltenden Grundsatz «first come, first served» ändert die Verordnung gemäss Entwurf grundsätzlich nichts: Einen Domain-Namen exklusiv benutzen darf derjenige, der ihn als erster registriert. Die Ausnahmen sind jedoch gewichtig: So sieht der Verordnungsentwurf vor, dass ein Domain-Name jederzeit neu zugeteilt werden kann, falls er länger als fünf Jahre nicht wirklich gebraucht wird, ohne dass dafür ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Eine solche für Domain-Namen bisher einzigartige Bestimmung wirkt dem Horten und Blockieren von Domains zweifellos entgegen. Wird sie umgesetzt, sind die Rechtsstreitigkeiten um ihre Auslegung aber absehbar. Die Aufschaltung einer Platzhalterseite wird jedenfalls nicht als hinreichende Nutzung gelten. Die Autoren der Verordnung haben sich offenbar am Markenrecht orientiert, das eine vergleichbare Bestimmung kennt; die dortige Lehre und Praxis wird hier wohl herangezogen werden müssen, auch wenn Domain-Namen weiterhin kein staatliches Schutzrecht, sondern eine Mischung aus Nutzungsbefugnis und privatrechtlicher Dienstleistung sind.

Enteignung für den Staat

Die Namen von Kantonen und politischen Gemeinden sind eine weitere Ausnahme der freien Domain-Namen-Vergabe: Sie sollen neu für das jeweilige Gemeinwesen reserviert sein, wobei Kantone im Streitfall gemäss Entwurf Vorrang haben. Das würde bedeuten, dass der noch nicht in letzter Instanz entschiedene Rechtsstreit um «luzern.ch» einen lachenden Dritten hätte: Weder der bisherige private Inhaber noch die gegen ihn klagende Stadt Luzern dürfte die begehrte Domain behalten. Sie müsste dem Kanton übertragen werden.

Aber auch Firmen wie die Winterthur Versicherung (winterthur.ch) könnten unter Druck geraten, sollte die Verordnung in der heutigen Fassung umgesetzt werden. Dabei stellt sich überdiesdie Frage, welche Schreibweisen der Namen geschützt sind, wie das Beispiel der Zürich Versicherung (zurich.ch ohne ue) zeigt. Wo wie für Winterthur heute bereits eine Lösung für Fälle mehrerer Berechtigter gefunden wurde, wäre eine Neuregelung denn auch unsinnig, wenngleich dieseLösungen häufig nur die Frage der Website erfassen. Domain-Namen sind jedoch auch für E-Mail-Adressen von Bedeutung.

Immerhin sieht der Verordnungsentwurf vor, dass gutgläubige Personen, die auf diese Weise ihren Domain-Namen dem Gemeinwesen abtreten müssen, finanziell dafür entschädigt werden – wie dies bei anderen Enteignungen auch der Fall wäre. Das Bakom soll darüber hinaus bei Bedarf weitere Domain-Namen mit Begriffen des Gemeinguts zwangsweise zuteilen dürfen, wenn hierfür ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht oder die internationale Vereinheitlichung dies fordert. Eine solche Kompetenz geht jedoch sehr weit, vielleicht sogar zu weit, gibt sie doch dem Bakom ein Bestimmungsrecht über die Verwendung von Gattungsbegriffen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Bakom damit primär wohl nur Fälle wie geographische Bezeichnungen oder die von der WHO verwaltetenNamen pharmazeutischer Wirkstoffe, deren Nutzung für länderunabhängige Domain-Namen international beschränkt werden soll, im Sinn hat.

Streitigkeiten Privater um Marken- und Namenrechtsverletzungen oder unlauteres Verhalten müssen dagegen weiterhin vor dem Zivilrichter ausgetragen werden. Die Domain-Registrierstellen sollen nur bei «offensichtlichen» Verstössen gegen die öffentliche Ordnung, die guten Sitten oder das Strafrecht von sich aus aktiv werden müssen – was allerdings genau genommen trotz allem eine manuelle Prüfung jedes einzelnen Domain-Namens verlangen würde. Das dürfte schwierig werden.

Die jüngst in einer kleinen Vernehmlassungsrunde leider nur sehr kurz aufgelegte Neufassung der Verordnung geht nicht nur inhaltlich mitunter völlig neue Wege. Sie ist auch weltweit einer der ersten Erlasse, die die Vergabe von Domain- Namen staatlich ausdrücklich regeln. Bisher war dies weitgehend der Selbstregulierung der Branche überlassen. Wo diese Mechanismen funktionieren, soll aber auch die neue Verordnung nicht eingreifen. Das Ergebnis ist ein ungewöhnlicher Balance-Akt zwischen staatlicher und privater Regulierung: Der Betreiber des Schweizer Domain-Registers soll etwa verpflichtet werden, mitder ICANN – jener privaten Stelle, die international das Domain-Namen-System reguliert – einen Vertrag zu schliessen. Der Registerbetreiber soll überdies die Schweiz in diesem privaten Gremium zusammen mit dem Bakom vertreten.

An einer anderen Stelle werden im Verordnungsentwurf private Schiedsgerichtsverfahren zur Erledigung von Streitigkeiten um bösgläubige Domain-Registrierer und -Nutzer angesprochen, wie sie die ICANN eingeführt hat: Sollte es nötig werden und existieren staatlich vertretbare (private) Verfahren, so sollen sie vom Bakom ebenfalls vorgeschrieben werden können, was eine gesetzlich verordnete Selbstregulierung wäre.

Registrierstellen im Wettbewerb

Um Wettbewerb zu schaffen, soll die Zuweisung von Domain-Namen vom technischen Betrieb der Datenbank der «.ch»-Domain-Namengetrennt werden. Um Letzteres wird sich vermutlich die Switch kümmern, die dies schon bisher tat. Domain-Namen im Markt anbieten können und sollen dagegen mehrere, konkurrierende Firmen. Diese Registrierungsstellen benötigen eineBewilligung des Bakom und bezahlen der Betreiberin für die Nutzung von deren Datenbank eine Gebühr, die vom Bakom genehmigt sein muss. Per Ende 2000 verwaltete die Switch rund 350 000 Domain-Namen in ihren Systemen.

Für die von den Registrierstellen für Domain- Namen verrechneten Gebühren soll der Markt spielen. Dies entspricht dem Ansatz, der bisher mit Erfolg für länderunabhängige Domain- Namen von der ICANN und der US-Regierung praktiziert wurde. Das Bakom behält sich immerhin das Recht vor, sich die Preise der Registrierstellen zur Genehmigung vorlegen zu lassen oderHöchstpreise festzulegen. Vor kurzem erst kündigte Switch zwar eine Senkung der Jahresgebühr von 48 auf 35 Franken per 1. Juli an (NZZ vom 4. 5. 01). Doch die Preise für «.ch»-Domain- Namen dürften noch weiter sinken.

* Die beiden Autoren arbeiten im Bereich IT- und Internet- Recht in der Anwaltskanzlei Homburger, Zürich.

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